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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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würde er den ganzen Vormittag wie betäubt durch die Gegend laufen, das kannte er schon.
    Er stand auf und setzte sich ans offene Fenster. Der Unterschied war gleich null. Nicht der geringste Luftzug, nicht einmal ein heißer Windhauch aus der Puszta, wo immer die sein mochte. Die Stadt wirkte fast so, als wäre auch sie von der Hitze in Atemnot geraten und ins Koma gefallen. Nach einer Weile tauchte auf der anderen Seite des Flusses eine einsame gelbe Straßenbahn auf. Sie fuhr langsam über die Elisabethbrücke; das Geräusch, das die Reibung der Räder auf den Gleisen verursachte, wurde unter dem Brückenbogen verstärkt, bevor es über das Wasser davonzog. Trotz der Entfernung konnte er sehen, dass der Wagen leer war. Vor dreiundzwanzig Stunden hatte er dort auf der Brücke gestanden und über seine seltsame Begegnung mit der Frau aus Üjpest nachgedacht. Der Ort war nicht schlecht gewesen.
    Er zog seine Hose und einen leichten Pulli an und verließ das Zimmer.
    Die Portiersloge im Foyer war leer. Auf der Straße fuhr ein grüner Skoda an und bog langsam und notgedrungen um die Ecke. Liebespaare in Autos sind überall auf der Welt gleich. Er ging am Kai entlang, an ein paar schlafenden Schiffen und der Petöfi Statue vorbei und gelangte auf die Brücke. Sie lag wie in der Nacht zuvor still und verlassen da und war im Unterschied zu vielen Straßen der Stadt hell erleuchtet. Wieder blieb Martin Beck, die Ellbogen auf das Geländer gestützt, mitten auf der Brücke stehen und starrte ins Wasser. Unter ihm fuhr ein Schlepper hindurch. Erst viel später folgten die Schleppschiffe: vier lange Lastkähne, paarweise hintereinander. Sie glitten mit gelöschten Lichtern und nur eine Nuance dunkler als die Nacht lautlos dahin.
    Als er ein paar Meter weiter ging, hallten seine Schritte auf der stillen Brücke wider. Er ging noch ein Stück und hörte das Echo erneut. Ihm war, als ob es einen Tick zu lange nachhallte. Er stand eine Weile still und lauschte, hörte aber nichts. Dann ging er schnell ungefähr zwanzig Meter weiter und blieb unvermittelt stehen. Wieder war da dieses Geräusch, und auchjetzt schien es ihm für ein echtes Echo zu spät zu kommen. Er überquerte so leise wie möglich die Fahrbahn und schaute von der anderen Seite zurück. Es war jetzt ganz still. Nichts regte sich. Eine Straßenbahn kam von der Pester Seite her auf die Brücke gefahren und vereitelte weitere Beobachtungen. Martin Beck setzte seinen Spaziergang über die Brücke fort. Wahrscheinlich litt er bereits an Verfolgungswahn.
    Wenn jemand um diese Zeit noch genug Energie und Kapazitäten hatte, ihn zu beschatten, konnte es eigentlich nur die Polizei sein. Und damit war das Problem ja im Großen und Ganzen aus der Welt. Es sei denn, dass...
    Martin Beck hatte fast das Widerlager am Fuß des Gellertbergs erreicht, als die Straßenbahn an ihm vorbeirumpelte. Ein einsamer Fahrgast saß an ein Fenster gelehnt und schlief mit offenem Mund.
    Er erreichte die Treppe, die auf der Südseite der Brücke zum Kai führte, und stieg sie hinunter. Im verebbenden Lärm der Straßenbahn meinte er den Motor eines Autos zu hören, das irgendwo in der Nähe hielt, aber in welcher Richtung und wie weit entfernt, konnte er nicht einschätzen.
    Martin Beck ging rasch und leise den Kai entlang nach Süden und blieb stehen, wo die Dunkelheit am tiefsten war. Dort drehte er sich um, hielt den Atem an und horchte. Es war nichts zu hören oder zu sehen. Auf der Brücke war höchstwahrscheinlich kein Mensch, doch das war eigentlich nicht das Entscheidende. Denn wenn ihm jemand vom anderen Ufer her gefolgt war, konnte dieser Jemand sehr wohl ebenfalls das Widerlager erreicht haben und über die Treppe auf der Nordseite der Brücke zum Kai hinuntergegangen sein. Dass außer ihm niemand die Treppe auf der Südseite benutzt hatte, dessen war er sich sicher.
    Die spärlichen Geräusche, die jetzt zu hören waren, stammten vom Verkehr in weiter Ferne. In der unmittelbaren Umgebung herrschte völlige Stille. Martin Beck lächelte in der Dunkelheit. Er war jetzt fast überzeugt, dass ihm niemand gefolgt war, aber das Spiel amüsierte ihn, und insgeheim wünschte er sich, dass es dort in der Dunkelheit auf der anderen Seite der Brücke tatsächlich einen verdutzten Verfolger gäbe. Er selbst kannte das Spielchen in- und auswendig und wusste, dass derjenige, der möglicherweise auf der anderen Seite hinuntergeschlichen war, nicht riskieren durfte, auf demselben Weg

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