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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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an.«
    Sie stand einen Augenblick völlig verblüfft da, wie neulich, als er in Üjpest an ihre Tür geklopft hatte. Dann gehorchte sie. Er zog Hemd und Schuhe an, hob ihr Netz vom Boden auf, fasste sie locker am Oberarm und brachte sie hinunter ins Foyer.
    »Rufen Sie bitte ein Taxi«, sagte er zum Nachtportier. Einen Moment später war der Wagen da. Martin Beck öffnete die Tür, aber als er ihr hineinhelfen wollte, riss sie sich heftig los.
    »Ich bezahle den Fahrer«, sagte er.
    Sie warf ihm einen Blick zu. Der matte Schleier war verschwunden. Die Patientin war genesen. Ihr Blick war klar, dunkel und hasserfüllt.
    »Den Teufel wirst du tun«, sagte sie. »Los!« Sie knallte die Tür zu, und das Auto fuhr davon. Martin Beck sah sich um. Es war schon weit nach Mitternacht. Er ging ein Stück in Richtung Süden, auf die neu erbaute Brücke, die bis auf vereinzelte nächtliche Straßenbahnen leer war. Mitten auf der Brücke blieb er stehen und lehnte sich ans Geländer. Schaute in das dunkle, lautlos fließende Wasser. Es war warm und leer und still. Ein idealer Ort, um nachzudenken, wenn er gewusst hätte, worüber er nachdenken sollte. Nach einer Weile ging er zum Hotel zurück. Ari Boeck hatte eine Zigarette mit rotem Filtermundstück auf dem Fußboden verloren. Er hob sie auf und zündete sie an. Sie schmeckte schlecht, und er warf sie aus dem Fenster.

12
    Martin Beck lag in der Badewanne, als das Telefon klingelte. Er hatte das Frühstück verschlafen und vor dem Mittagessen einen Spaziergang am Kai gemacht. Die Sonne brannte heißer denn je, und sogar am Fluss hatte die Luft sich kein bisschen bewegt. Als er ins Hotel zurückgekehrt war, hatte er ein größeres Bedürfnis nach einem schnellen Bad als nach Essen gehabt und beschlossen, das Mittagessen warten zu lassen. Jetzt lag er im lauwarmen Wasser und hörte das Telefon mit kurzen, rasch aufeinanderfolgenden Signalen klingeln.
    Er stieg aus der Wanne, schlug sich das große Badelaken um und nahm den Hörer ab. »Herr Beck?«
    »Ja?«
    »Sie müssen entschuldigen, dass ich Sie nicht mit Ihrem Dienstgrad anspreche. Wie Sie verstehen, ist dies eine reine ... ja, nennen wir es eine, tja ... Vorsichtsmaßnahme.« Es war der junge Mann von der Botschaft. Martin Beck fragte sich, wem gegenüber es eine Vorsichtsmaßnahme war, schließlich wusste man sowohl im Hotel als auch in Szlukas Umgebung, dass er Polizist war, aber er antwortete: »Ja, natürlich.«
    »Wie läuft es? Sind Sie vorangekommen?«
    Martin Beck ließ das Badelaken fallen und setzte sich aufs Bett.
    »Nein«, sagte er.
    »Haben Sie noch keine Spur gefunden?«
    »Nein«, sagte Martin Beck.
    Einen Augenblick lang war es still, dann fügte er hinzu: »Ich habe mit der hiesigen Polizei gesprochen.«
    »Das war meines Erachtens eine ausgesprochen unkluge Maßnahme«, sagte der Mann von der Botschaft.
    »Schon möglich«, erwiderte Martin Beck. »Aber mir blieb kaum etwas anderes übrig. Ein Herr namens Vilmos Szluka ist auf mich zugekommen.«
    »Major Szluka? Was wollte er?«
    »Nichts. Er hat mir im Großen und Ganzen wohl dasselbe gesagt wie Ihnen. Dass er keinen Anlass sieht, sich mit dem Fall zu befassen.«
    »Ich verstehe. Was werden Sie jetzt tun?«
    »Mittag essen«, antwortete Martin Beck. »Ich meine, in besagter Angelegenheit.«
    »Ich weiß nicht.«
    Wieder war es eine Weile still. Dann sagte der junge Mann: »Nun, Sie wissen, wo Sie anrufen können, wenn etwas ist.«
    »Ja.«
    »Dann auf Wiederhören.«
    »Auf Wiederhören.«
    Martin Beck legte auf, ging ins Bad und zog den Stöpsel aus der Wanne.
    Dann zog er sich an, ging hinunter, setzte sich vor dem Restaurant unter die Markise und bestellte ein Mittagessen.
    Selbst im Schatten unter der Markise war es brütend heiß. Er aß langsam und trank kräftige Schlucke von dem kalten Bier. Er hatte das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Den großen Dunkelhaarigen hatte er zwar nicht gesehen, trotzdem fühlte er sich ständig überwacht.
    Er betrachtete die Leute um sich herum. Es war die übliche Versammlung von Mittagsgästen, vorwiegend Ausländer wie er und fast alles Hotelgäste. Er hörte vereinzelte Gesprächsfetzen, meist auf Deutsch und Ungarisch, aber auch auf Englisch und in einer Sprache, die er nicht identifizieren konnte. Plötzlich sagte hinter ihm jemand deutlich:
    »Knäckebrot.«
    Er drehte sich um und sah zwei Frauen, ohne Zweifel Schwedinnen, die im Restaurant am Fenster saßen. Er hörte eine der beiden

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