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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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zurückzugehen, die Brücke zu überqueren und die Treppe auf der Südseite zu benutzen. Unter der Brücke hindurch verliefen zwei parallele Straßen am Fluss entlang, die innere ungefähr anderthalb Meter oberhalb des Kais, der treppenförmig zum Wasser abfiel. Die beiden Straßen waren durch eine niedrige Mauer voneinander getrennt. Ferner gab es ein Stück weiter einen Fußgängertunnel durch das Brückenfundament. Aber auch von diesen Wegen stand dem eventuellen Beschatter keiner zur Verfügung, vorausgesetzt, der Betreffende beherrschte seine Sache. Denn ganz gleich, auf welchem Weg er unter der Brücke hindurchzugehen versuchte, er würde immer das Licht im Rücken haben und damit Gefahr laufen, sofort entdeckt zu werden. Also blieb ihm nur die Möglichkeit, einen großen Bogen um das Widerlager der Brücke zu schlagen, dabei sämtliche Zufahrtsrampen zu überqueren und so weit südlich wie möglich zum Kai hinunterzugehen. Das würde jedoch seine Zeit dauern, selbst wenn der Mann es riskierte zu rennen, und der Beschattete, in diesem Fall der Erste Kriminalassistent Martin Beck aus Stockholm, könnte unterdessen in nahezu jede beliebige Richtung verschwinden.
    Es war nun allerdings unwahrscheinlich, dass da überhaupt jemand war, der ihn beschattete, und außerdem hatte Martin Beck die ganze Zeit schon vor, in nördlicher Richtung den Fluss entlangzugehen und über die nächste Brücke in sein Hotel zurückzukehren. Daher verließ er seinen Beobachtungsplatz im schützenden Dunkel und schlenderte in gemächlichem Tempo nordwärts. Er entschied sich für die innere der beiden Parallelstraßen, ging unter der Brücke hindurch und, zwei Meter oberhalb des Kais, an der Steinmauer entlang weiter. Das Hotel lag direkt gegenüber am anderen Flussufer und war bis auf zwei senkrechte schmale Rechtecke dunkel: die Fenster seines Zimmers. Er setzte sich auf die niedrige Steinmauer und steckte sich eine Zigarette an. Große Wohnhäuser im Stil der Jahrhundertwende säumten die Straße. Davor parkten Autos. Die Fenster waren alle verrammelt und dunkel. Martin Beck saß ganz ruhig da und horchte in die Stille hinein. Er war immer noch auf der Hut, ohne sich dessen jedoch bewusst zu sein.
    Auf der anderen Straßenseite wurde ein Auto angelassen. Martin Beck blickte die Reihe der geparkten Fahrzeuge entlang, konnte das Geräusch aber nicht lokalisieren. Der Motor brummte leise im Leerlauf. Das ging ungefähr dreißig Sekunden so. Dann war zu hören, wie ein Gang eingelegt wurde. Fünfzig Meter weiter gingen Scheinwerfer an, ein Auto löste sich aus dem Schatten und rollte von der Bordsteinkante herunter.
    Es fuhr in seine Richtung, aber auf der anderen Straßenseite und äußerst langsam. Ein dunkelgrüner Skoda. Martin Beck hatte das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben. Das Auto näherte sich. Martin Beck saß still auf der Steinmauer und folgte ihm mit dem Blick. Als es fast auf seiner Höhe war, schwenkte es nach links, so als wollte der Fahrer auf der Straße wenden. Es wurde jedoch keine ganze Wendung daraus, vielmehr rollte das Auto direkt auf Martin Beck zu, fast noch langsamer als zuvor.
    Es war offensichtlich, dass jemand es auf ihn abgesehen hatte. Die Vorgehensweise war allerdings verwirrend. Bei dieser Geschwindigkeit konnte die Absicht kaum darin bestehen, ihn anzufahren, und außerdem wäre es, wenn nötig, für ihn ein Leichtes, sich notfalls hinter der Mauer in Sicherheit zu bringen. Sofern sich nicht jemand auf dem Rücksitz versteckte, war in dem Auto nur eine Person.
    Martin Beck drückte seine Zigarette aus. Er hatte keineswegs Angst, war aber sehr neugierig, was passieren würde. Der grüne Skoda hatte nur drei Meter von ihm entfernt angehalten, den Motor im Leerlauf und das rechte Vorderrad an der Bordsteinkante. Der Fahrer blendete die Scheinwerfer auf, und alles ertrank in gleißendem Licht. Aber nur für wenige Sekunden, dann erloschen die Scheinwerfer. Die Fahrertür ging auf, und ein Mann stieg aus.
    Martin Beck hatte ihn oft genug gesehen, um ihn trotz des Blendungseffekts sofort zu erkennen. Der große Mann mit dem dunklen, nach hinten gekämmten Haar trug nichts in der Hand. Er trat einen Schritt näher. Der Automotor brummte leise. Im selben Moment registrierte Martin Beck etwas. Keinen Schatten und auch kein Geräusch, nur eine kleine Veränderung in der Luft schräg hinter ihm. So unmerklich, dass nur die Stille der Nacht sie wahrnehmbar machte.
    Er wusste, dass er nicht mehr allein auf

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