Der Mann, der starb wie ein Lachs
nicht wie ein Affe angestarrt. Die Kinder hatten Sommerferien gehabt, mit Feldwegen und Kaninchen und frischer Milch bei den Cousins und Cousinen auf den Bauernhöfen, und einige waren mit Papa und Opa hinausgefahren, um mit dem Schleppnetz zu fischen. Die Lehrerin war lang wie eine Giraffe mit einem Gesicht wie ein Rentier, etwas scheu in ihren Bewegungen, außerdem trug sie dreieckige Perlenclips an den Ohrläppchen. Wie im Vorbeigehen erwähnte sie, dass ein neues Mädchen in der Klasse beginnen sollte, und da musste Therese sich in ihrem lila Hosenanzug hinstellen. Sie nickte nur höflich zu den Fragen der Lehrerin und durfte sich gleich wieder setzen. Dann folgte alles Mögliche, Papier und Hefte und Radiergummi und Kreide und ein Junge, der einen Asthmaanfall bekam, er wurde zum Lehrerzimmer gebracht, weil er seine Medizin zu Hause vergessen hatte, das war spannend. Und über allem schien die Sonne, es war ein sonniger Tag, das Fenster war weit geöffnet, so dass Fliegen hereinkommen konnten, nach denen die Jungs in der Pause mit ihren Linealen schlugen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie merkwürdig sie redeten. Die Lehrerin sprach Fernsehschwedisch, sie war aus Mittelschweden hergezogen, während die Kinder schrecklich schwer zu verstehen waren. Irgendwie schienen sie die Worte wie Kaugummi in die Länge zu ziehen, und manchmal klang es sogar, als gurgelten sie dabei. Das nannte sich Schonisch. Therese stand stumm an die Wand gelehnt, intensiv lauschend. Das würde sie noch lernen. Sie würde wie die anderen werden.
Angelica, ihre Banknachbarin, hatte ihr während des ganzen ersten Tages kaum einen Blick geschenkt. Sie war ein misstrauisches, glotzendes Mädchen, das immer hungrig zu sein schien. Sie hatte fast schneeweißes Haar, das sie in der Nacht geflochten hatte, damit es beim Schuljahresanfang lockig war. Aber schon am zweiten Schultag war es spaghettiglatt und ein wenig fettig. Ihre Hose roch nach Stall, Kühen und Heu, eigentlich kein unangenehmer Geruch, aber es war nicht zu leugnen. Sie wechselte ihre Kleidung nur jeden zweiten oder dritten Tag. Dagegen hatte sie immer schön lackierte, glänzende Nägel und sorgfältig zurückgeschobene Nagelhaut. Therese sah, wie sie in einer Pause ein Töpfchen herausholte, den Pinsel abschraubte und sich, unbequem vorgebeugt, die Nägel der linken Hand lackierte. Es war kaum zu merken, dass sie atmete, ihre Konzentration war vollkommen. Nach einer Weile wedelte Angelica mit den Fingern in der Luft, wechselte dann den Pinsel in die linke Hand und begann die rechte zu lackieren. Jetzt sah es plumper aus. Unbeholfen und zittrig. Leicht verzweifelt schaute sie auf und entdeckte Therese.
»Kannst du nicht mal?«
Therese ergriff feierlich den Pinsel, während Angelica ihre Finger auf der sonnenerwärmten Treppe spreizte.
»Sonst hilft mein Papa mir immer. Soll ich es hinterher bei dir machen?«
»Mm …«
Sie lackierten lange und hielten anschließend die Hände vor sich in die Luft wie bettelnde Hundepfoten, damit sie ordentlich trockneten. Therese fing die Sonne ein, die Nägel glänzten wie kleine Spiegel.
»Oberstark!«, rief sie aus.
»Ich bin gezwungen, das zu tun«, erklärte Angelica feierlich. »Sonst kaue ich drauf. In der Ersten habe ich immer gekaut, bis nur noch das Nagelbett da war, das hat sauweh getan.«
»Mit den Zähnen?«
»Man kaut wie ein Kaninchen, dann gibt es kleine Fetzen, die man abziehen kann, und dann wächst das Fleisch über den Nagel hoch, so dass es vorn eine richtige Beule gibt.«
Sie zeigte mit Gesten, wie die Fingerspitzen zu Fleischklößen anschwollen.
»Aber warum?«
»Das sind die Nerven.«
»Die Nerven?«
»Aber jetzt kann ich mich zusammenreißen.«
In Simrishamn schien es gut zu laufen. Mama arbeitete in der Notaufnahme und traf Onkel Klement, der nie soff und schon um die ganze Erdkugel gereist war. Sie gingen zu dritt in die Bibliothek, Klement hatte dort schon fast alle Bücher gelesen und wusste, welche gut waren. Therese blätterte in der Kinderzeitschrift »Kamratposten« und schielte dabei zwischen den Regalen hindurch, wo sie standen und knutschten. Sein Rücken in der abgetragenen Lederjacke war doppelt so breit wie Mamas. Sie wand sich in ihrem Mantel, spitzte ihre Lippenstiftlippen und drückte sie auf seinen Bart, auf seine Mundöffnung mit den Goldzähnen, die er in Spanien bekommen hatte.
Die Welt war immer unbekannt, man musste immer wieder von vorn anfangen, sie zu erforschen. Den Weg zur Schule
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