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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Blickfeld.
    »Verdammt!« Röhrdanz schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad. Der Fahrer des Mercedes, der ihn im letzten Moment abgedrängt hatte, überholte von rechts und zeigte ihm mit verächtlicher Geste, was er von seiner Fahrweise hielt.
    Röhrdanz stand der kalte Schweiß auf der Stirn, als er versuchte, die nächste Ausfahrt zu erwischen. Er musste heftig abbremsen, um nicht in die Fahrzeuge hineinzurasen, die sich davor bereits blinkend stauten.
    »Ruhig, Röhrdanz, ganz ruhig«, hörte er sich sagen. »Du darfst jetzt keinen Unfall bauen. Behalt die Nerven, Mann.«
    Seine Finger zitterten seit Stunden vor sich hin, und seine Beine schienen ihm kaum noch zu gehorchen.
    Im Schneckentempo schob sich die Autoschlange der großen Kreuzung entgegen. Pro Ampelschaltung kamen immer nur höchstens zwei Wagen durch. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte unbarmherzige zwanzig Minuten
vor fünf - eine halbe Stunde hatte er nun schon verloren, weil er die Ausfahrt verpasst hatte.
    Die Kinder. Bei Helga. Oliver. Längst zu Hause. Hatte er einen Schlüssel dabei? Würde er zur Nachbarin gehen? Die Firma. Abmelden. Chef. Morgen.
    Arbeit? Wohin mit den Kindern? Würde er heute Abend überhaupt zu Hause sein? In seinem Bett schlafen? Und Angela? Wo würde sie schlafen? In welchem Zustand? Warum war er nicht längst bei ihr?
    Nicht durchdrehen, Röhrdanz. Schalten, kuppeln, drei Meter rollen, wieder auskuppeln, stehen bleiben. Einen klaren Kopf behalten, Röhrdanz. Du bist Vater. Wenn Angela ausfällt, bleibt alles an dir hängen. Jetzt nicht in Panik geraten. Angela spürt das, wenn du durchdrehst. Einfach nur weiteratmen. Röhrdanz kurbelte das Fenster herunter, sog die abgasverseuchte Luft ein und atmete heftig aus.
    Endlich. Die nächste Ampel würde er schaffen. Er setzte den Blinker, drückte aufs Gas und hängte sich so dicht an die Stoßstange des ächzenden Lasters vor ihm, dass er sie fast berührt hätte. Quälend langsam knatterte er im zweiten Gang hinter dem Laster her, bis er rechts eine Tankstelle sah.
    Er musste tanken.
    Röhrdanz zwang sich, die nötigen Handgriffe zu tun. Als er an der Kasse zahlte, fragte er betont höflich nach der Klinik.
    »Oh«, sagte der Tankwart, der sein Geld in die Kasse zählte, »da hamse sich verfahren.«
    Röhrdanz schluckte. »Ich weiß. Ausfahrt verpasst.«

    »Dann wenden Sie mal und fahren zurück bis zur großen Kreuzung …« Der Tankwart bediente schon den nächsten Kunden, während er wild gestikulierend erklärte: »Und dann kommen Sie an einen Kreisverkehr, nehmen die zweite … nee, die dritte Ausfahrt. Oder warten Sie mal, wenn Sie ortsfremd sind, fahren Sie am besten ganz anders …«
    Es war zum Wahnsinnigwerden. Am liebsten hätte Röhrdanz geschrien: »Meine Frau ist mit Blaulicht in diese Klinik gefahren worden, und ich will jetzt auf der Stelle zu ihr!« Aber wen hätte das interessiert?
    Hände blätterten desinteressiert in Zeitungen, Leute kamen und gingen, drängten sich hinter ihm an der Kasse. Bis ihm schließlich irgendjemand anbot, vor ihm her zu fahren, er müsse grob in seine Richtung. Röhrdanz folgte ihm dankbar, unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen. Irgendwann bedeutete ihm der Fahrer, links abzubiegen. Nach zwei weiteren Wendemanövern hatte er sich durch ganz Düsseldorf gekämpft.
    Als Röhrdanz schließlich vor der Klinik stand, war er am Ende seiner Kräfte. Das Klinikum war groß und imposant, ein riesiger gläserner Kasten, der eher an einen Flughafen oder ein Regierungsgebäude erinnerte als an ein Krankenhaus. Das musste eine ganz besondere Spezialklinik sein. Mit bleiernen Beinen schleppte er sich aus dem Auto und betrat, fast schwindelig vor Übelkeit und Hunger, den luxuriösen Eingangsbereich. Er kam sich vor wie im Foyer eines Fünf-Sterne-Hotels. Das Personal, das emsig hin und her huschte, trug ähnliche blaue Uniformen wie Flughafenpersonal.

    Röhrdanz rieb sich die Augen. War das vielleicht doch alles nur ein schlimmer Traum? Der Empfangsbereich war ganz in dunklem Holz gehalten, nur der Geruch nach Desinfektionsmitteln wollte nicht so recht dazu passen.
    »Hallo? Kann mir jemand helfen?« Seine Stimme klang, als gehörte sie nicht zu ihm. Röhrdanz drehte sich hilflos um die eigene Achse.
    »Ja bitte?« Eine streng aussehende Dame in Uniform sah ihn prüfend an.
    »Meine Frau? Angela Röhrdanz? Wurde vor einer Stunde eingeliefert!«
    »Welche Abteilung?«
    »Keine Ahnung! Das will ich von Ihnen wissen!«
    »Warten Sie

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