Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
hier.« Die Frau verschwand. Röhrdanz versuchte, seinen Magen zu ignorieren, der nun lauter knurrte, als er die Dame in Uniform soeben angeknurrt hatte.
    Erschöpft sank er auf eine lederne Couchgarnitur. Alle liefen wie aufgezogene Marionetten an ihm vorbei.
    War er unsichtbar?
    Ein Weißkittel schwebte lautlos über den grauen Teppichboden auf ihn zu. War er aus Fleisch und Blut? Konnte Röhrdanz es wagen, ihn anzusprechen?
    Natürlich! Das schuldete er Angela! Er war doch ihr Mann!
    Mechanisch sprang er auf, lief dem Arzt entgegen. In seinem Kopf hämmerte es.
    »Hallo, Herr Doktor! Nicht weglaufen! Bitte!« Röhrdanz keuchte. »Ich suche meine Frau.«
    »Wer soll das sein?«, fragte er Arzt erstaunt.

    »Röhrdanz«, sprach er seinen und ihren Namen nun schon zum hundertsten Male aus.
    »Sie ist vor einer Stunde hier eingeliefert worden.«
    Seine Zunge klebte ihm im Mund, er konnte nur mit Mühe schlucken.
    »Mit welcher Diagnose?«
    »Keine Ahnung! Der Chefarzt vom Leverkusener Krankenhaus hat was von einer sehr seltenen Nervenkrankheit gesagt.« Röhrdanz fasste sich an den Kopf, versuchte sich zu erinnern. »Irgendein Fachbegriff, den ich vorher noch nie gehört hatte …«
    »Oh.« Der Arzt sah Röhrdanz plötzlich mit einem ganz neuen Interesse an. »Sie sind das.«
    »Ja, ich bin das. Was soll das bedeuten?«
    »Röhrdanz«, sagte der Arzt, als hätte er eine schwierige mathematische Gleichung gelöst.
    »Hab ich doch gesagt«, erwiderte Röhrdanz. Sein Kopf drohte zu zerspringen.
    »Sie müssen sich gedulden«, sagte der Arzt. »Sie ist gerade im OP.«
    »Kann ich da hin …?«
    »Nein. Ausgeschlossen. Warten Sie hier.« Der Arzt wandte sich zum Gehen, aber Röhrdanz hielt ihn am Kittelärmel fest.
    »Aber was hat sie denn? Ich meine, was wird gerade operiert?«
    Der Arzt schüttelte ihn ab wie ein lästiges Insekt. »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Aber WER kann es mir sagen?«
    Röhrdanz wischte sich die schweißnassen Hände
an den Hosenbeinen ab. Es tat ihm leid, dass er dem Arzt offensichtlich zu nahe getreten war, aber es musste doch endlich einen Menschen geben, der ihm Auskunft gab!
    »Im Moment sind alle betreffenden Kollegen im Einsatz. Setzen Sie sich.«
    »Aber ich kann doch hier nicht rumsitzen, und keiner sagt mir Bescheid!!«
    »Alles, was ich Ihnen sagen kann ist, dass Sie warten müssen.« Der Arzt strich seinen Kittelärmel glatt, als wollte er die letzten Spuren von Röhrdanz beseitigen, und schritt energisch davon.
    Röhrdanz setzte sich.
    Und wartete.
    Irgendwann kam die uniformierte Dame in Dunkelblau zurück. Sie hatte ein Klemmbrett bei sich und reichte es Röhrdanz. »Wenn Sie das bitte ausfüllen würden.«
    »Ja, aber was HAT meine Frau? WORAN wird sie operiert?«
    Die Frau reichte ihm mit unbewegter Miene einen Kugelschreiber.
    »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. - Also bitte: Name, Alter, Krankenkasse, Allergien und so weiter. Sie müssen auch unterschreiben, dass Sie über die Folgen einer Vollnarkose vom Anästhesisten hinreichend aufgeklärt wurden.«
    »Aber das bin ich nicht! Hier war kein Anästhesist!« Röhrdanz drehte sich suchend um.
    »Weil es sich um einen Notfall handelt«, sagte die Frau in einer schwer nachvollziehbaren Logik. »Der Anästhesist
ist im OP.« Sie kehrte ihm bereits wieder den Rücken zu.
    »Könnte ich bitte ein Glas Wasser haben?«, stieß Röhrdanz hervor. Seine Zunge wollte ihm schon nicht mehr gehorchen.
    »Bitte.« Eine junge Krankenhaussekretärin reichte ihm eines, und Röhrdanz schüttete es in durstigen Zügen hinunter.
    Als die Sekretärin das leere Glas wieder entgegennahm, strich sie ihm kurz über die Hand. Überrascht starrte er sie an. In ihren Augen stand aufrichtiges Bedauern.
    Röhrdanz zuckte zusammen. Was war denn das? Sie wusste etwas. Sie hatte Mitleid mit ihm!
    Erneut überfiel ihn eine Panikattacke. Er versuchte, ruhig weiterzuatmen. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in die Schreibunterlage, als er sich zwang, das Formular auszufüllen. Die Buchstaben der vielen Fragen und Belehrungen verschwommen vor seinen Augen.
    Schlaganfall, neurologische Intensivstation, Gehirnschlag, Gesichtslähmung, Verlust des Sprachzentrums, völlige Lähmung, Wachkoma …
    Lieber Gott, dachte er, ich bete zwar nicht regelmäßig und war auch seit meiner Hochzeit nicht mehr in der Kirche, aber könntest du bitte verhindern, dass ich hier vor Angst durchdrehe und anfange zu schreien?
    Wie in Zeitlupe näherte sich wieder eine

Weitere Kostenlose Bücher