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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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spürte und hörte, was um sie herum passierte. Man würde ihr nicht unnötig wehtun.
    Sofort fühlte er sich besser. Genau eine Sekunde lang. Dann wurde plötzlich die Tür aufgerissen, und die Ärzte und Schwestern kamen mit besorgten Gesichtern heraus. Keiner nahm ihn zur Kenntnis, alle schienen in großer Eile zu sein.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Röhrdanz betreten, als er Professor Leyen erkannte.
    »Na ja … das wird sich noch herausstellen.« Der Professor
biss sich auf die Unterlippe, und Röhrdanz befürchtete das Schlimmste.
    »Kann ich Angela sehen?«
    »Nein, mein Lieber.« Er atmete scharf aus. »Sie ist unter Vollnarkose.« Professor Leyen bemerkte seinen verängstigten Gesichtsausdruck und lächelte schwach. »Keine Sorge, Herr Röhrdanz. Ich habe mich darum gekümmert.« Er kam einen Schritt näher und flüsterte: »Sie hat nichts gespürt.«
    »Und das … Baby?« Röhrdanz Stimme zitterte.
    »Tut mir leid, Herr Röhrdanz …« Er machte eine Pause, als müsste er sich überlegen, wie er Röhrdanz die Lage erklären sollte.
    Ja. Sie hatten ihn gewarnt. Sie hatten ihn immer wieder gewarnt.
    »O Gott! Was ist … Ist es …?«
    »Jetzt sind sie schon im Fahrstuhl auf dem Weg zum Nothubschrauber.« Professor Leyen riss das Telefon von der Wand und rief hinein: »Kommt noch mal zurück! Der Vater will sein Kind sehen!«
    Röhrdanz wurde schwindelig. So verspannt hatte er Professor Leyen noch nie gesehen.
    »Ist es …?« Ihm fehlten die Worte, er konnte das Unaussprechliche nicht sagen. »Schwerstbehindert?« Er schrie es fast.
    »Es scheint ganz in Ordnung zu sein, aber sie fliegen es jetzt nach Köln, in eine Spezialklinik für Frühgeborene«, hörte er Professor Leyen murmeln.
    Der Aufzug machte ping!, das Geräusch ließ Röhrdanz erstarren.

    Die Türen öffneten sich, und vier hektisch aussehende Ärzte und Schwestern schoben eine Art winziges Aquarium heraus, in das Röhrdanz für drei Sekunden blicken durfte.
    Oh, mein Gott. Was habe ich angerichtet? Er starrte hinein, mit rasendem Herzen.
    Darin lag ein … bläulicher … winziger … vor lauter Schläuchen fast nicht zu erkennender Wurm, der … sich bewegte. Der irgendwie am Leben war. Das war also Angelas Baby. Sein Baby. So hutzelig und verschrumpelt und feucht und … unausgebrütet!
    Die Aufzugtür schloss sich bereits wieder. Röhrdanz hatte das Gefühl, sich alles nur eingebildet zu haben.
    »Es ist ein Junge«, sagte Professor Leyen und sank auf einen Stuhl. Er schien selbst ganz erschöpft zu sein. »Wir haben völlig vergessen, dass Sie hier draußen warten. Entschuldigung.«
    »Ja aber … Wie behindert ist er?« »Soweit wir das bisher beurteilen können, scheint er ganz gesund zu sein.« Professor Leyen drehte sich ganz langsam zu Röhrdanz um und sah ihm ernst ins Gesicht. »Ihre Frau scheint das Unfassbare fertiggebracht zu haben. Sie hat in ihrem Zustand ein gesundes Kind geboren. Das ist einmalig in der Geschichte der Medizin. Mir ist kein anderer Fall bekannt.«
    »Sie meinen …«, Röhrdanz konnte es nicht fassen, »Sie meinen, dass der Junge leben wird? Dass er eines Tages …? Ganz normal …?«
    Professor Leyen drückte seinen Arm, und Röhrdanz hörte so etwas wie ein kleines Schniefen.

    Dieser Fall schien ihm unter die Haut zu gehen.
    »Ihrer Frau wird das einen ungeheuren Antrieb geben«, sagte er schließlich mit gepresster Stimme. »Wir sind auf einem guten Weg.«
     
    » S ie wacht auf.«
    Der Anästhesist seufzte erleichtert, drückte Röhrdanz die Hand und verließ taktvoll den Raum.
    Woran sollte Röhrdanz erkennen, dass seine Frau aufwachte?
    Sie regte sich nicht, lag stocksteif in der gleichen Position da wie immer, hatte den Mund weit aufgerissen und starrte an die Decke.
    »Angela? Liebes? Wie geht es dir?«
    Nichts. Keine Reaktion. Ach so, dachte Röhrdanz. Eine Ja-Nein-Frage stellen.
    »Geht es dir … ähm … gut?«
    Ein Blinzeln war die Antwort.
    »Du hast einen gesunden Jungen geboren, Angela!«
    Sofort löste sich eine Träne aus ihrem Auge, dann noch eine, und dann kam ein ganzer Bach.
    Röhrdanz musste auch weinen. Er zwang sich nicht mehr, sich vor Angela zusammenzureißen.
    »Sind ja Freudentränen«, brachte er schluchzend hervor, »die sind erlaubt!«
    Das Ehepaar Röhrdanz weinte zusammen. Wie alle Ehepaare, die gerade Eltern geworden sind.
    Nur dass ihre Situation eine ganz andere war.
    »Also, meine Liebe, wenn du dich einigermaßen fühlst, können wir ja mal über einen Namen

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