Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry
Fensterscheiben kam der Nebeldunst der Straßen.
„Keine Angst“, murmelte Percy Coogan. „Bei mir oben ist es weit gemütlicher. Sie werden sehen.“
Es stimmte, was er sagte. Die Wohnung war für einen Junggesellen recht nett eingerichtet. Es gab Polstermöbel und Teppiche, Ölbilder und Wandleuchten.
„Das meiste davon ist geklaut“, gestand Percy Coogan in seltener Offenheit. „Joseph hat mir dabei geholfen. Was wir nicht verscheuern konnten, haben wir hier untergebracht.“
Evelyn Bloom zog geistesabwesend ihren nassen Mantel aus. Dann ließ sie sich im nächsten Sessel nieder. Unruhig irrten ihre Blicke über die polierten Möbel.
„Wo kann ich bleiben?“ fragte sie hastig. „Zeigen Sie mir mein Zimmer. Ich möchte mich gleich zurückziehen.“
Percy Coogan grinste. Er kam lautlos näher. Sein Gesicht zeigte jetzt die gleiche Gier wie in den Nächten, wenn er auf Raub aus war. Seine Hände tappten begehrlich vor.
„Hier gibt es nur ein Schlafzimmer“, raunte er heiser. „Ich glaube, das ist groß genug für uns beide, mein Täubchen. Komm mit! Zier dich nicht lange.“
Evelyn Bloom hob befremdet das blasse Gesicht. Sie wich zurück. Alles an ihr war kalte Ablehnung. Aber Percy Coogan kümmerte sich nicht darum. Er war gewöhnt, sich alles zu nehmen, was ihm gefiel. Ob es sich dabei um ein paar Silberlöffel handelte oder um eine Frau, das war für ihn dasselbe. Wie gut, daß sie soviel getrunken hatte. Sie kam erst viel später wieder zu klarer Besinnung. Dann allerdings wußte sie genau, daß es nach dieser Nacht keinen neuen Anfang mehr für sie gab.
6
Es gab wirklich ein Bad in der Wohnung Percy Coogans. Es war ein kleiner Raum mit einer einfachen Badewanne und einer primitiven Dusche. Als Evelyn Bloom sich unter das sprühende Wasser stellte, brannte die Scham noch immer wie Feuer auf ihrer Haut. Sie hatte das Gefühl, als sei ihre Jugend in dieser Nacht endgültig verwelkt. Sie fühlte sich alt und zerbrochen. Die Schmach, die man ihr angetan hatte, ließ sich mit Wasser nicht abwaschen. Blaß und bedrückt erschien sie zehn Minuten später im Wohnzimmer. An der Tür blieb sie stehen. Haßerfüllt blickte sie auf Percy Coogan, der pfeifend den Tisch deckte. Eine bauchige Teekanne dampfte auf dem Tisch.
„Komm, Täubchen“, rief er gutgelaunt. „Wollen zusammen frühstücken. Ich muß nachher gleich weg.“
Er zündete sich eine Zigarette an und beobachtete sie mit schrägen Blicken.
„Was hast du?“ fragte er ärgerlich. „Komm doch! Der Tee hat gerade die richtige Temperatur.“
„Ich will nichts“, stieß Evelyn Bloom verächtlich über die Lippen. „Ich gehe jetzt. Hier hält mich nichts zurück.“
„Warum denn so spröde“, spottete Percy Coogan giftig. „So gut wie Joseph bin ich immer noch. Er war ein gemeiner Mörder. Ich bin nur ein kleiner Ganove.“
Evelyn Bloom hatte keine Erwiderung auf diese Worte. Sie nahm ihren Mantel von einem Haken. Sie ging auf die Flurtür zu. Als sie die Klinke niederdrückte, merkte sie, daß die Tür versperrt war.
„Mach auf!“ rief sie über die Schulter zurück. „Ich möchte weg. Mit Gewalt kannst du mich hier nicht zurückhalten.“
„Und ob ich das kann“, zischte Percy Coogan wütend. Er stand nun unmittelbar hinter ihr. Er riß sie von der Tür weg und schleifte sie ins Wohnzimmer zurück.
„So“, sagte er schnaufend und setzte sich ihr gerade gegenüber. „Jetzt wollen wir einmal vernünftig miteinander reden. Warum willst du weg? Du hast es hier doch besser als in deinem Asyl. Ich schleppe alles herbei, was wir brauchen. Und du hältst hier Ordnung und versorgst die Küche. Ist das ein Vorschlag?“
„Nein“, sagte Evelyn Bloom herb. „Ich will weg. Eine andere Antwort wirst du von mir niemals hören.“
Percy Coogan schob brüsk die Teetasse von sich weg. Porzellan klirrte und beinahe hätte es Scherben gegeben. Das Frühstück blieb unberührt.
„Wenn es nicht im Guten geht, dann läßt es sich mit Gewalt machen“, brummte Percy Coogan schroff. „Du bleibst hier. Ich komme am Abend zurück. Laß dir nicht einfallen, um Hilfe zu rufen. Es würde dir nichts nützen. Hier wohnen überall Freunde von mir.“
Ohne sich weiter um die verstörte Frau zu kümmern, machte er sich zum Weggehen fertig. Er versperrte von draußen die Tür und zog den Schlüssel ab. Hart polterten seine Schritte die Treppe hinunter. Evelyn Bloom riß das Fenster auf und blickte ihm nach, wie er das Haus verließ. Sie
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