Der Mann, der's wert ist
so daß diesem Sören der Zahnbelag meiner
Schwester nicht auffiel. Sie putzt sich nie die Zähne, obwohl sie jede Menge
Tee trinkt und raucht.
Wir vermuten, daß der männliche
Erzeuger von Solveig im Morgengrauen, vom Grauen gepackt, seinen Rucksack
packte. Jedenfalls verschwand er sofort, nachdem er meine Schwester befruchtet
hatte. Sie hat tagelang auf dem Campingplatz rumgewartet, ob er wieder
auftaucht. Eine Frau auf dem Campingplatz erzählte Annabell, dieser Sören sei
aus Uppsalami oder Smörrebrödstedt, wie diese schwedischen Städte eben so
heißen, aber weil sie seinen Nachnamen nicht wußte, half das nichts. Aber ihrer
Tochter hat sie diesen Namen angehängt, damit jeder gleich sagt: »Ah, ein
schwedischer Name.« Und dann sagt Annabell: »Du, der Vater von der Solveig ist
Schwede.«
Damit gibt sie furchtbar an.
Mein Vater sagt, er kapiert es nicht, warum ein unbekannter Schwede besser sein
soll als ein bekannter Deutscher.
Für meinen Vater ist es ein doppelter
Erfolg, daß Benedikt die Stelle bei seinem Bruder bekommen hat. Denn nun zieht
Annabell aus der Wohnung meiner Eltern, und mein Vater hat wieder Ruhe, wenn er
nach Hause kommt. Annabell übernimmt die Wohnung, in der Benedikt und ich
wohnen. Zwei Zimmer Altbau, Klo und Bad separat. Die Wohnung gehört meinen
Eltern, mein Vater hat sie vorletztes Jahr gekauft, eine echte Kapitalanlage,
versteht sich. Annabell wollte damals gar nicht in diese Wohnung ziehen, sie
lebte in einer Wohngemeinschaft alleinerziehender Frauen mit abgebrochenem
Studium.
Zuerst teilte ich die Wohnung
mit Maria, einer Kunststudentin. Maria war fast nie da, sie war ständig bei
ihrem Freund, der in einer Kleinstadt einen Studienplatz bekommen hatte. Fast
hätten die beiden geheiratet, damit er hier einen Studienplatz bekommt, aber es
war aussichtslos. Weil er in der Kleinstadt eine große Wohnung hatte, zog Maria
letztes Semester zu ihm, und da konnte Benedikt zu mir ziehen.
Kaum war Benedikt bei mir
eingezogen, wollte meine Schwester die Wohnung für sich und Solveig. Ihre
Wohngemeinschaft alleinerziehender Studienunterbrecherinnen sei Solveig nicht
länger zuzumuten. Wegen Unvereinbarkeit der Erziehungsstile. Solveig müsse
ständig spielen, was die zwei anderen alleinerzogenen Kinder spielen wollten.
Solveig müsse aus dieser autoritären Spielstruktur befreit werden. Und sie
hätte auch das Recht, mietfrei in der Eigentumswohnung ihrer Eltern zu wohnen.
Mietfrei! Ich bekam genau wie Annabell den Bafög-Satz von unserem Vater, und
davon zog er mir die Miete ab, die ein mittelteures Zimmer in einem
Studentenwohnheim kosten würde. Und für das andere Zimmer zahlte Benedikt
ebenfalls soviel, genau wie vorher Maria. Es war völlig gerecht! Annabell
sagte, sie müsse die Wohnung haben, für sie sei es unmöglich, bei der bekannten
Kinderfeindlichkeit in unserem Land eine kindgemäße Wohnung zu finden. Aber ich
war mitten im Examen.
Dann zog sie zu meinen Eltern.
Da ist ihr ehemaliges Zimmer seit der Geburt von Solveig sowieso zum
Solveig-Zimmer geworden. Außerdem hat Annabell mein ehemaliges Zimmer in
Beschlag genommen, das sich meine Mutter, nachdem ich ausgezogen war, als
Zweitfernsehzimmer eingerichtet hatte. Also, obwohl Annabell bei unseren Eltern
zwei Zimmer hat, pestet sie den ganzen Tag herum, ich würde mit meinem Lover in
der Eigentumswohnung der Eltern residieren, während sie als alleinerziehende
Mutter auf der Straße sitzt.
Annabell hätte nie soviel
Arbeit und Geld wie ich in die Wohnung gesteckt. Ich habe überall
Einbauschränke gebaut, um den Platz optimal zu nutzen. Ich habe die grausamen
schlappgrünen Kacheln im Bad und in der Küche abgeklopft. Ich habe alles neu
verputzt, gestrichen, lackiert. — Und kaum ist alles fertig, ziehen wir weg.
Weil die Einrichtung total auf
diese Wohnung abgestimmt ist, finde ich es am besten, wenn wir sie hierlassen.
So können wir uns im neuen Heim wieder neu einrichten. Annabell legt zwar
keinen Wert auf meine Schickimicki-Einrichtung, aber gnädigerweise wollte sie
alles gratis übernehmen. Mein Vater hat mir heimlich eine angemessene
Entschädigung versprochen. Dabei wollte Annabell sogar unser Bett haben, aber
das nehmen wir mit.
Das Bett war unsere dritte
gemeinsame Anschaffung. Die erste war unser BMW. Niko hat ihn Benedikt überaus
günstig angeboten, ein kleineres Modell, aber wie neu. Wir haben den BMW
gemeinsam gekauft, damals, als wir beschlossen hatten, immer zusammenzubleiben.
Und Benedikt hat
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