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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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führte nach
oben. Jede Stufe knarrte anders. Benedikt spielte Reiseführer: »Hier sehen wir
das Klo«, er zeigte auf die Tür rechts neben der Treppe, »dann das Bad«, er
zeigte auf die nächste Tür rechts, »es folgt Muttis Schlafzimmer, dann mein
Gemach, dann Medis Zimmer.«
    In Benedikts Gemach war die
Zimmerdecke mit Styroporplatten beklebt, im Würfelmuster abwechselnd eine
Platte blau, eine orange bemalt! »Hast du das gemacht?!«
    Benedikt lachte: »Blau und
Orange waren früher meine Lieblingsfarben.«
    »Da warst du deiner Zeit weit
voraus«, sagte seine Mutter, »die anderen hatten das erst Jahre später.«
    Ich mußte lachen, es war das
Zimmer eines Vierzehnjährigen. Genauer gesagt: das Zimmer eines
Vierzehnjährigen, der vor vierzehn Jahren vierzehn war. An der Wand entlang in
zwei Reihen Regalbretter, darauf wenige Bücher und viele Modellautos. Über den
Regalbrettern hingen, auf Spanplatten aufgezogen, vier Fotos von alten
Rennwagen mit orangelackierten Kanten, dann die brennende Giraffe von Dali mit
blaulackierten Kanten und zwei expressionistische Bilder von nackten Mädchen,
rosa umrandet. Am Fenster ein sogenannter Jugendschreibtisch,
Fichtenholzimitation aus Resopal. Links ein Schrank, mit Folie beklebt,
Limbaholzimitation aus d-c-fix. An der anderen Wand ein schmales Bett aus
Buche. In dieses Bett paßten nicht mal zwei Ölsardinen.
    Benedikts Mutter schüttelte ein
verwaschenes blau-orangegestreiftes Kopfkissen. »Dein Lieblingsbettbezug«,
sagte sie stolz.
    »Mein Geschmack hat sich ein
bißchen geändert«, lachte Benedikt, »außerdem haben wir unser eigenes Bettzeug
im Auto mitgebracht.«
    »Um dir keine Mühe zu machen«,
sagte ich.
    »Wie du willst.« Seine Mutter
klang deutlich enttäuscht. Draußen flüsterte ich Benedikt zu: »Ich glaube,
deine Mutter will nicht, daß wir zusammen schlafen.«
    »Glaubst du?«
    »Und dein Bett ist zu eng für
uns beide«, flüsterte ich, »und die Couch unten auch. Aber ich will nicht
allein unten schlafen. Ist im Zimmer deiner Schwester kein Bett?«
    Benedikt versuchte sich zu
erinnern.
    »Frag doch deine Mutter.«
    Benedikt rief durchs
Treppenhaus hinauf: »Viola kann in Medis Zimmer schlafen, oder?«
    »Benedikt, das muß Medi selbst
entscheiden«, rief seine Mutter zurück. »Es sind ja ihre Sachen in ihrem
Zimmer. Du mußt warten, bis sie zurückkommt.«
    »Ach so. Ist das schlimm?«
fragte mich Benedikt.
    »Nein.« Eigentlich war ich so
müde, daß ich sofort und überall hätte einschlafen können.
     
    Es wurde Mitternacht, bis wir
den BMW ausgeladen hatten. Benedikt hatte Hunger. »Ich hab Salami gekauft, die
ißt du so gerne«, sagte seine Mutter.
    Es war mir neu, daß Benedikt
gern Salami ißt. Also setzten wir uns an den Tisch mit der Häkeldecke, und
seine Mutter brachte Salami, Brot und gartenfrische Tomaten. »Wann mußt du
morgen im Büro sein?« fragte sie.
    »Um acht. Das ist der Nachteil
an dem Job, man muß so früh anfangen, weil die Handwerker so früh anfangen.«
    »Da mußt du spätestens um
sieben aufstehen. Ich bin mehrmals zu deinem Büro probegefahren, du brauchst im
Durchschnitt fünfunddreißig Minuten. Und du mußt vorher in Ruhe frühstücken.
Und wo willst du mittagessen? Diese Woche habe ich noch Schulferien, aber
nächste Woche kannst du in der Mittagspause zu dem Griechen kommen, wo Medi und
ich so gerne essen.«
    »Ich kann jetzt nicht sagen, wo
ich esse. Ich muß sehen, wie das die Kollegen handhaben.«
    »Bei unserem Griechen ist das
Preis-Leistungs-Verhältnis sehr gut, und er ist nur fünfzehn Minuten von deinem
Büro entfernt. Und wann kommst du abends wieder?«
    »Ich hoffe, ich bin gegen
sieben zurück, Hoffentlich machen die Kollegen nicht zu gerne Überstunden.«
Benedikt gähnte.
    »Du mußt ins Bett«, rief
Benedikts Mutter, »sofort! Deine Viola kann sich hier in der Küche waschen, es
ist ja alles so praktisch bei uns. Da bist du oben ungestört.«
    »Gut«, gähnte Benedikt, »ich
komm dann noch mal runter.« Ich half seiner Mutter, die Teller in die Küche zu
tragen. Die Küchenwände waren halbhoch mit einer gelblichen Ölfarbe gestrichen,
überall Fettspritzer, an denen der Staub pappte. An der rissigen Decke warf
abgeplatzte Farbe Schatten wie Messer.
    Alles war so altmodisch wie im
Wohnzimmer. Nur die Tiefkühltruhe war neu. Auf dem Küchentisch eine scheußliche
braunorange-weiß-karierte Plastikdecke. Über dem Tisch wieder ein Kunstdruck
auf Spanplatte: Das Schlaraffenland von Brueghel, mit

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