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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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ich,
abgesehen von den Fixkosten, monatlich vierhundertfünfzig Mark zum Leben und
war damit gut zurechtgekommen. Teurer lebte ich hier nicht. Im Gegenteil. Und
wenn ich die Miete und alle sonstigen Ausgaben von den achttausend Mark abzog,
die mir mein Vater gegeben hatte — die Geburtstagsgeschenke für Benedikt und
Angela, die Weihnachtsgeschenke, die drei T-Shirts, die Telefongebühren, das
Material für die Renovierung unserer Zimmer — dann hatte ich, seit wir hier
lebten, dreitausend Mark für Lebensmittel und Haushaltskram ausgegeben. Aber
höchstens die Hälfte für meinen eigenen Bedarf.
    Benedikt konnte es nicht
fassen. Er hätte keine Ahnung gehabt, daß ich alle Einkäufe bezahlt hatte,
natürlich hatte ich es ihm erzählt, aber irgendwie hatte er gedacht, seine
Mutter hätte mir auch Geld gegeben, er hatte sich ehrlich keine Gedanken
darüber gemacht. »Ich kann’s nicht glauben«, sagte er.
    »Das Frühstück und das
Abendessen täglich, die Marmeladen kosten auch fünf Mark pro Glas, und die
Leberpastete, irgendwie addiert sich alles.«
    Benedikt holte sein
Portemonnaie. »Ich geb dir alles Geld, was ich habe.« Er hatte 235 Mark und 62
Pfennige.
    Ich wollte gar nicht alles,
aber er bestand darauf, mir 200 Mark zu geben. »Wenn du willst, kannst du
morgen mehr haben... allerdings ist mein Konto im totalen Minus.«
    »Du verdienst doch soviel!«
    »Ich wollte es dir schon den
ganzen Abend sagen: Ich habe heute einen Bausparvertrag abgeschlossen. Der
Faber hat mir dazu geraten. Ich mußte dieses Jahr noch was tun, um Steuern zu
sparen. Und in ein paar Jahren, wenn hier in größerem Stil umgebaut wird oder
wenn wir mal bauen, ist ein Bausparvertrag ideal.«
    »Ist doch toll!«
    »Aber deshalb bin ich pleite
für diesen Monat. Warum hab ich nur diesen stinkteuren Mantel gekauft?«
    Ich war schuld, ich hatte dazu
geraten. Und warum hatte ich dieses stinkteure T-Shirt gekauft? Wir lachten. Im
Ernst: Schuld war nur der unglückliche Umstand, daß es mit meinem Job bisher
nicht geklappt hatte.
    »Was machen wir jetzt?« fragte
Benedikt.
    Ich hatte schon alles
durchdacht: Ich mußte meinen Vater um einen Mini-Kredit anpumpen. Ich brauchte
Geld für Januar und vielleicht Februar. Wir hatten sowieso abgemacht, daß
Benedikt und ich am ersten Weihnachtsfeiertag für zwei Tage zu meinen Eltern
fahren würden, das war die passende Gelegenheit. »Ausgezeichnet«, fand auch
Benedikt. Und ich wußte, er war heilfroh, daß so das Problem zu lösen war.
Benedikt haßt jede Art von Problemwälzerei. »Ehepaarkonversation« nennt er das.
    »Ab jetzt wird gespart«, sagte
Benedikt, »ab jetzt gibt es wieder hausgemachte Johannisbeermarmelade.«
    Natürlich meinte er das nicht
ernst.
     
     
     

22. Kapitel
     
    In der Erinnerung bleiben nur
die vollendeten Werke, egal, wieviel man dafür geschuftet hat. Bis der letzte
Makel entfernt ist, bis man den bereits gereinigten Pinsel nicht doch noch mal
in Lack tauchen muß, bis alles sein soll, wie es ist, so lange zittert man um
den Erfolg. Der Moment, in dem man denkt: »Ich glaub, ich bin fertig«, ist der
Moment, in dem man die Mühen vergißt. Und der Moment der Vollendung ist der
Moment des Glücks. — Pünktlich zum Heiligen Abend war Benedikts Zimmer
vollendet.
    Es sah aus wie aus einer
Hochglanz-Architekturzeitschrift: ein Areal kühler Eleganz. Sehr männlich, aber
nicht brutal. Ich hatte einen äußerst günstigen Teppichrest gefunden, in hellem
Blaugrau. Die Fußleisten waren schräggestreift lackiert, weiß und grau, das war
witzig, und der Übergang vom Teppich zur Wand erschien dadurch diffus und die
Grundfläche des Zimmers größer. Wände und Decke hatte ich wie in meinem Zimmer
grauweiß verwischt bemalt, stellenweise sah es aus wie marmoriert. Und dann
Klarlack drüber. Durch die Wolkenstruktur und den Glanz wirkten Wände und Decke
transparent, was das Zimmer optisch unglaublich vergrößerte.
    Benedikts unverzichtbarer,
großer Kleiderschrank war Teil der Wand geworden. Den Raum zwischen Schrank und
Zimmerdecke hatte ich mit Rigipsplatten geschlossen, die Türgriffe vom Schrank
montiert, die Löcher zugespachtelt, nun öffnete man die Türen mit fast
unsichtbaren Plexiglasschlaufen und schloß sie mit Magnetschnäppern. Das
d-c-fix vom Schrank abzupellen und die Klebstoffreste abzulaugen, war fast so
mühsam gewesen, wie die Styroporplatten von der Decke zu kratzen. Das schmale
Bett hatte ich zum Sofa umgestaltet, mattgrau bezogen und ringsum

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