Der Mann, der's wert ist
dicke
Rollenkissen genäht. Das war nun unser Fernsehbereich. Beim Fenster war unser
Arbeitsbereich. Benedikt hatte auf einer Baustelle von einem Vorarbeiter zwei
Kellertüren aus Blech geschenkt bekommen, die Türen waren versehentlich zu
schmal geliefert worden, ich machte daraus zwei mattschwarz lackierte, super
Arbeitstische. Als Gag pinnte ich vier Fotos an die Wand: unsere Zimmer vor der
Renovierung. Da sah man am besten, was ich gemacht hatte. Ich hatte eine neue
Welt geschaffen. Unsere schönere Welt in Noras Universum. Und unsere Welt wurde
täglich, Quadratzentimeter für Quadratzentimeter, größer.
Am Morgen des Heiligen Abends putzte
ich noch die Fenster in Benedikts Zimmer, als er durchs Treppenhaus rief, ich
möge bitte nur einen Augenblick aufhören zu renovieren und kurz runterkommen.
Schon im Mantel stand er an der Haustür und flüsterte mir ins Ohr, er müsse
dringend etwas besorgen und das Auto waschen lassen und es könnte länger
dauern. Winkend ging er aus dem Haus, als würde er verreisen. Plötzlich fiel
mir etwas auf: »Willst du nicht das Auto zum Wagenwaschen mitnehmen?«
Lachend rief er zurück: »Ich fahr
mit dem Bus. Heute ist ein Wahnsinnsverkehr in der Stadt.«
Es war ja klar, wohin er fuhr:
in die Innenstadt, zu dem Antiquitätenlädchen, wo es weit und breit keinen
Parkplatz gibt. Ich freute mich so.
Erst vier Stunden später kam er
zurück. Er rief: »Fröhliche Weihnachten allerseits«, und war allerbester Laune.
Dann installierte er im Garten die elektrischen Weihnachtskerzen auf der
Mehrzwecktanne.
Während Benedikt weg war, hatte
ich rings um die Tür seines Zimmers ein breites rotes Kreppband gesteckt und
einen Streifen mit einer riesigen Schleife vor der Tür befestigt, daran hing
ein Schild: »Für Dich von mir!« Es sah so witzig aus! Und so war deutlich zu
sehen, daß das Zimmer mein Geschenk an Benedikt war.
Die Übergabe des Zimmers fand
vor dem Essen statt, gleich nachdem Mercedes gekommen war. Sie stellte einen
Karton voller Geschenke auf den Mosaiktisch: »Alle von meinem
Herzallerliebsten.« Es sei aber zu schade, sie gleich auszupacken. Sehr gut —
damit sie mir nachher nicht die Schau stehlen konnte, schlug ich vor, daß dafür
Benedikt mein Geschenk jetzt auspackte. Ich konnte es auch kaum erwarten.
Benedikt mußte das rote Band
vor der Tür feierlich durchschneiden, dann betraten wir mein Geschenk. Alles
glänzte. Benedikt strahlte. »Supertoll«, sagte er immer wieder. Er war richtig
gerührt. »Supertoll, Herzchen. Ich danke dir.« Nur Nora mußte meinen, Benedikts
Zimmer wirke fast zu sachlich. »Es ist supertoll«, sagte Benedikt.
Mercedes sagte, in ihrer
Wohnung sehe es genauso aus, allerdings habe sie überall ihre hochwertigen
Eichenmöbel und handgeknüpfte, unendlich wertvolle Teppiche aus Finnland. Es
war mir unerklärlich, wie es dann genauso aussehen konnte, ich zeigte auf die
Fotos von den Zimmern vor der Renovierung: »Zur Erinnerung.«
Benedikt lachte, als er die
orange-blau gewürfelte Styropordecke und den d-c-fix-Schrank auf den Fotos sah.
Mercedes betrachtete mit schiefgelegtem Kopf die Fotos mit der staubgrünen
Tapete und den vergammelten kackbraunen Dielen, die unter dem Linoleum in ihrem
Zimmer gewesen waren, und sagte: »Es wirkte so zeitlos.«
»So schön wie jetzt war es
nie«, sagte Benedikt entschieden. »Es war eine wahnsinnige Arbeit«, sagte ich.
Ich konnte es nicht oft genug sagen.
»Weißt du noch, Benedikt, was
du dir damals für eine wahnsinnige Arbeit gemacht hast, die vielen, vielen
Platten orange und blau anzumalen und eine neben der andern anzukleben?« fragte
Nora.
»Ich bin so froh, daß die
endlich weg sind«, sagte Benedikt und küßte mich.
Da sagten Nora und Mercedes
nichts mehr.
Die restliche Bescherung fand
erst nach der gefüllten Gans statt. Nora sprach nur darüber, wie oft sie schon
die gefüllte Gans gemacht hätte, und es sei ein altes Familienrezept. Dann
redete Mercedes ohne Ende über die politischen Entwicklungen sämtlicher Länder,
in denen sie mit ihrem Verehrer Urlaub gemacht hatte. Aber kein Wort darüber,
ob er sie an den Feiertagen besuchen würde. Als ich noch mal auf die schönen
Zimmer zu sprechen kam, sagte sie, es sei alles sehr modisch, und deshalb sei
es morgen bereits wieder altmodisch! Das war unmöglich — wenn etwas wirklich
originell und kreativ ist, veraltet es kaum! Aber wie kann man das jemand
erklären, der zwischen Eichenmöbeln und Handknüpfteppichen
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