Der Mann, der's wert ist
befiel
mich nach diesem Kaufrausch der Kaufkater. Ich schlich zu C&A.
Da gab es schwarze T-Shirts für
19 Mark. Sie hatten am Ausschnitt sinnlose Plastikknöpfchen, zu denen keine
Knopflöcher gehörten, oder dämliche Pailletten, aber die konnte man leicht
abtrennen, und dann wären die C&A-T-Shirts nicht mehr von den Nobel-Tops zu
unterscheiden. Ich kaufte gleich zwei, um den Durchschnittspreis meiner neuen
T-Shirts auf unter 75 Mark zu senken. Die C&A-Tüte packte ich in meine
Nobeltüte.
Auf der Heimfahrt, im Bus,
setzte sich eine Frau mit einem hellbeigen Nerzmantel neben mich und meine
Nobeltüte. Sie hatte eine Woolworth-Tüte. Ich dachte gerade, daß Pelzmäntel out
sind, ganz besonders die teuren, als sie aus ihrer Woolworth-Tüte eine
kleinere, türkisblaue Lackpapiertüte holte, auf der weiß und deutlich stand:
>Tiffany & Co. Jewellers.< Darunter klein gedruckt: >New York,
London, Munich, Frankfurt, Berlin, Zürich, Milan, Florence, Hong Kong,
Singapore, Taipei, Tokyos Zuerst starrte ich auf die Tüte, dann aus den
Augenwinkeln auf die Frau. Sie war vielleicht vierzig. Sie merkte, daß ich sie
anstarrte.
»Wär schade, wenn sie bei dem
Regen naß wird, das ist meine beste Tüte«, sagte sie, »bei Tiffany hab ich im
Sommer meinem Mann Manschettenknöpfe gekauft.«
»Ach so«, sagte ich nur.
Sie holte aus der Tiffany-Tüte
eine dieser ganz dünnen Plastiktüten, wieder von Woolworth! Darin war ein
Sparpaket No-name-Papiertaschentücher. Sie brach die Packung auf, nahm eins
raus, packte die restlichen Taschentücher und die Woolworth-Tüte wieder in ihre
Tiffany-Tüte und sagte: »Was da drinnen ist, geht schließlich keinen was an.«
Ich hielt meine Nobeltüte oben
am Rand zu, damit sie die C & A-Tüte da drin nicht sehen konnte. »Ach so«,
sagte ich wieder, wußte aber überhaupt nicht, was ich denken sollte.
19. Kapitel
Die Weihnachtszeit begann zu
drängen. Noch vier Wochen, und ich hatte noch keinen Ring gefunden. Benedikt
hatte keine Zeit, einen zu suchen. Schuld daran war Herr Wöltje. Herr Wöltje
hatte nämlich überhaupt keine Lust, an dem Altersheim-Wettbewerb zu arbeiten.
Er hatte sogar zu Onkel Georg gesagt, es sei ihm zuwider, überhaupt an ein
Altersheim zu denken. Onkel Georg hatte gesagt, vermutlich würde Herr Wöltje
lieber ein Heim für minderjährige Mädchen entwerfen. Und dann hatte er Benedikt
beauftragt, Herrn Wöltje zu helfen, denn Ende Dezember war letzter
Abgabetermin, und am 15. Januar würde bereits entschieden werden... daß das
Büro Faber den Wettbewerb gewonnen hatte!
Aber auch wenn das Altersheim
Onkel Georg unter der Hand bereits zugesagt war, die Unterlagen mußten tadellos
und pünktlich abgegeben werden. Einerseits freute sich Benedikt, daß er jetzt
an dem Wettbewerb mitarbeiten durfte, andererseits mußte er nun an den
Wochenenden wieder ins Büro, um sich in das Projekt einzuarbeiten. Herr Wöltje
hatte Benedikt nur ein paar Skizzen hingeworfen und so getan, als sei alles
ganz simpel und könne als bekannt vorausgesetzt werden — Herr Wöltje hatte
wieder Ärger mit seiner Sandy und ließ seine schlechte Laune an Benedikt aus.
Und ich war auch im Streß. Bis
Weihnachten mußte ich unbedingt Benedikts Zimmer fertig haben, das war mein
Weihnachtsgeschenk für ihn! Er durfte das Zimmer nicht mehr betreten — was er
sowieso nicht wollte, weil es eine Baustelle war. Ich hatte gar keine Zeit
mehr, in der Stadt nach meinem Ring zu suchen. Benedikt tröstete mich, er würde
bestimmt an einem der nächsten Wochenenden Zeit haben, dann würden wir
gemeinsam meinen Ring suchen und finden. Um jeden Preis.
Noch vier Wochen. Im
Werbefernsehen, in den Illustrierten, auf allen Plakaten war längst
Weihnachtsbescherung: Die Welt war voller Männer, die Frauen mit Schmuck
überschütteten. »Unser Gold ist so unvergänglich wie Ihre Liebe« verkündete die
Werbegemeinschaft der Juweliere. Auf ihren Anzeigen Männer bei der
schwierigsten Entscheidung ihres Lebens: Sollten sie der Geliebten eine
pfundschwere Goldkette schenken oder ein leichtes Brillantarmband? Ohrringe aus
sportivem Platin, oder würde ihr rustikal designtes Rotgold besser stehen? Auf
einer Anzeige des Diamantensyndikats hieß es: »Weil du so bescheiden warst und
dieses Jahr nur einen ganz kleinen Weihnachtsbaum wolltest, darf’s beim Baumschmuck
etwas mehr sein.« Auf dem Foto dazu ein Weihnachtsbäumchen, klein wie eine
Hand, um das Bäumchen war ein prächtiges
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