Der Mann, der's wert ist
war
überglücklich, das war seine Chance!
Drei Tage blieb Herr Wöltje
krank. Dann entschuldigte er sich sehr formell bei Benedikt und den andern.
Angela tratschte, Frau Wöltje hätte ihr gesagt, er sei mit Beruhigungsmitteln
vollgepumpt.
Trotz alledem war Herr Wöltje
beleidigt, daß der Chef den Altersheim-Wettbewerb Benedikt übergeben hatte, und
boykottierte ihn. Benedikt meinte, ich solle heilfroh sein, daß ich nicht in
dieser Atmosphäre arbeiten müsse, man müsse Herrn Wöltje behandeln wie ein
rohes geplatztes Ei.
Durch all diesen Streß
schafften wir es erst am Samstag vor Weihnachten, zu unserem lang geplanten
Einkaufsbummel in die Stadt zu fahren.
Wir waren so froh wie seit
langem nicht mehr. Wir kauften spontan einen traumhaften Wintermantel für
Benedikt, noch teurer als die Luxusfrauenmäntel in Sandys Boutique! Aber jetzt
konnte sich Benedikt einen guten Mantel leisten.
Und dann entdeckten wir, im
Fenster eines Antiquitätenlädchens, einen Ring, der mir auf Anhieb gefiel. Und
auf dem Preisschild stand tatsächlich nur 795 Mark! Ja, das war mein Ring!
Witzigerweise kostete er fast genausoviel wie meine Materialkosten für
Benedikts Zimmer! Den konnte ich mir durchaus wünschen. Und es war genau der
Ring, den ich gesucht hatte: ein gerader Reif, im Prinzip wie ein Ehering, aber
anders als ein Ehering, weil er nicht aus Gold war — der Ring war rundherum mit
Rubinen besetzt, ein eckig geschliffener Rubin am andern, Facette an Facette.
Nur oben und unten von zwei schmalen goldenen Schienen gehalten. Wahnsinnig
schlicht und edel. »Meinst du nicht, daß er zu bescheiden ist?« fragte
Benedikt. »Zu bescheiden?«
»Verglichen mit den Klunkern,
die Angela rumschleppt?«
Ich mußte lachen. Erstens waren
wir nicht so reich, und außerdem finde ich protzigen Schmuck geschmacklos.
Wir gingen in den Laden.
Tatsächlich gehörte das Preisschild zu dem Ring. Und der Ring paßte an meine
rechte Hand wie für mich gemacht. Es waren synthetische Rubine, daher der
Preis, erklärte die Verkäuferin, aber synthetische Rubine seien viel wertvoller
als beispielsweise synthetische Brillanten, und das Gold war feinstes 585er
Gold.
Benedikt fand den Ring an
meiner Hand auch toll. Und ich hatte eine unbestimmte Erinnerung, genau so
einen Ring an einer ganz prominenten Frau gesehen zu haben.
»Kann ich mit Kreditkarte
zahlen?« fragte Benedikt. Nein, das sei nicht möglich, da sie diesen Ring in
Kommission verkaufe, erklärte die Verkäuferin, es sei aber möglich, ihn einige
Tage zurückzulegen. Gegen 50 Mark Anzahlung. Au ja. Ich freute mich wie irre.
Schon nächsten Samstag war Weihnachten!
Mitten in der Nacht fiel mir
ein, wo ich diesen Ring gesehen hatte: in einer von Noras Illustrierten, in
einem Bericht über Brigitte Bardot! Sie hatte von Gunter Sachs zur Hochzeit
drei solche Ringe bekommen: einen mit Saphiren, einen mit Brillanten und einen
mit Rubinen. Blau-Weiß-Rot, wie die französische Flagge. Und irgendwann, längst
geschieden, hatte Brigitte Bardot diese Ringe ihres Ex-Mannes versteigern
lassen, um ihren herrenlosen Hunden ein Heim zu bauen.
Vielleicht gehörte der
Rubinring zum ehemaligen Ehering von Brigitte Bardot? Na ja, wahrscheinlich
nicht.
Aber man darf ja träumen.
21. Kapitel
Der Hundertmarkschein, den ich
am 19. Dezember aus meinem Geldbriefumschlag nahm, war mein letzter Hundertmarkschein.
Es war nicht so, daß ich nicht gemerkt hätte, daß mein Geld täglich weniger
wurde, es war so, daß ich gedacht hatte, ehe es ausgeht, würde ich selbst
verdienen. Zum Glück hatte ich schon alle Weihnachtsgeschenke. Trotzdem befiel
mich leichte Panik, ich rief Benedikt im Büro an und warnte ihn, daß wir über
Geld reden müßten. Benedikt lachte nur.
Am Abend sagte er, ich sollte
ihm bitte die Details ersparen, einfach nur sagen, wieviel Geld ich haben
wollte, mehr wollte er nicht wissen. Ich hatte es aber schon detailliert
nachgerechnet, um für mich selbst Klarheit zu schaffen. Zuerst der Umzug mit
tausend Mark. Benedikt hatte gesagt, er bezahle den Umzug allein, und damit war
ich einverstanden, weil ihm Onkel Georg die gesamten Umzugskosten erstattet
hatte. Das war der größte Posten, den mir Benedikt schuldete. Außerdem hatte
ich fast jeden Tag zwischen zehn und fünfzig Mark ausgegeben für Lebensmittel
und Haushaltskram, manchmal mehr, wenn ich Benedikts Schuhe vom Schuhmacher
holte oder seine Sachen aus der Reinigung. Während des Studiums hatte
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