Der Mann, der's wert ist
Brillantkollier gewickelt. In der
Fernsehwerbung steckte ein Mann einen Mordsbrilli an eine Frauenhand, worauf
sie nur fragte: »Wo ist eigentlich dein Sportcabrio?« Und er antwortete
glücklich: »Ich hab es eben an deinen Finger gesteckt.« In einem andern Spot
sang ein saudoofer Kinderchor: »Perlen sind Tränen der Liebe«, dazu eine
glücklich weinende Schönheit, jede Träne, die ihre makellose Wange hinabglitt,
verwandelte sich an ihrem Hals in eine makellose Perle, und eine Männerstimme
sang: »Und dafür liebe ich dich«, worauf die Schöne noch mehr weinte und noch
mehr Perlen auf ihren Hals flössen. In wieder einem anderen Spot bekam ein
Teeny-Girl von einem Teeny-Boy eine Tüte Hustenbonbons geschenkt, »du wolltest
doch was für deinen Hals«, sagte er cool, und dann war in der Hustenbonbontüte
eine echte Goldkette. Überall floß das Gold in Strömen.
Die einzige Ausnahme war ein
Fernsehspot, da bekam eine juwelentriefende Herzogin von ihrem Herzog ein Paket
glitzernder Topfkratzer geschenkt, sie sprang vor Freude in die Luft und
schrie: »Endlich mal was anderes als immer nur Brillanten.«
20. Kapitel
Am 1. Dezember war Benedikts dreimonatige
Probezeit vorbei. Natürlich verlängerte Onkel Georg Benedikts Vertrag. Weil es
ein Freitag war, gab es am Nachmittag eine kleine Feier im Kollegenkreis, die
jäh unterbrochen wurde, als Herr Wöltje, der kurz in sein Apartment gefahren
war, um nach Sandy zu sehen, von dort anrief und mitteilte, er würde heute
nicht mehr ins Büro kommen und Sandy hätte morgens offenbar die Schule
geschwänzt, jedenfalls war sie ohne Vorankündigung ausgezogen!
Am Montag kam Herr Wöltje
pünktlich ins Büro, war aber nicht ansprechbar. Jedenfalls nicht auf seine
Arbeit. Sandy war zurück zu ihren Eltern gezogen! Herr Wöltje hatte das ganze
Wochenende versucht, Sandy ans Telefon zu bekommen. Aber ihr Vater hatte
ausgerichtet, Herr Wöltje möge seine Tochter bitte künftig in Ruhe lassen. Herr
Wöltje hatte sich das nicht bieten lassen. Er war zur Wohnung von Sandys Eltern
gefahren, aber Sandy ließ sich nicht blicken. Sonntag abend hatte ihr Vater
Herrn Wöltje mit der Polizei gedroht, falls er nicht verschwinde.
Benedikt erzählte, daß Angela
gesagt hätte, Herr Wöltje hätte über Nacht graue Haare bekommen. Aber Detlef
hatte gesagt, so sei das Leben eben, schließlich hätte Herr Wöltje auch über
Nacht wasserstoffblonde Haare bekommen.
In den ersten Tagen war Herr
Wöltje überzeugt, Sandy würde bald zurückkommen. Sie sei den Luxus seines
Lebensstils gewohnt, das elende Leben bei den Eltern würde ihr schnell
unerträglich werden. Aber Sandy rief nicht an und ging nicht ans Telefon. Dann
war Herr Wöltje von der Idee besessen, Sandy schlafe mit einem andern. Er hätte
Sandys Sexualtrieb auf Vordermann gebracht, da brauche ihr Körper Sex wie das
tägliche Brot.
Eine Woche nach Sandys Abgang
lauerte er ihr morgens auf, ob sie mit einem andern das Haus verließ. Ihr Vater
fuhr sie zur Schule. Dann lauerte er nach Schulschluß vor dem Gymnasium. Und da
ertappte er sie: händchenhaltend mit einem kindischen Bengel! Herr Wöltje war
ins Büro gerast und hatte herumgetobt: »Ich dachte, das Mädchen hätte Klasse!
Aber nein, sie treibt es mit einem aus ihrer Klasse!«
Und da war es geschehen:
Benedikt erzählte, Angela hätte zuerst gelacht, aber Angela hätte später
behauptet, Benedikt hätte zuerst gelacht, aber das war egal, denn alle hatten
gelacht, aber mehr aus Verzweiflung über die Hysterie, die Herr Wöltje
verbreitete. Und da war Herr Wöltje total ausgeflippt und hatte Benedikt
angebrüllt. — Benedikt hatte keine Lust, zu erzählen, was Herr Wöltje alles
gebrüllt hatte, irgendwie hatte er gebrüllt, alle seien unfähig, Gott sei Dank
war der Chef nicht da. Dann war Herr Wöltje abgerauscht.
Am nächsten Tag erschien er
nicht zur Arbeit. Angela rief Frau Wöltje an und erfuhr, daß sich Herr Wöltje
nicht umgebracht hatte, wie Angela befürchtet hatte, sondern er war, wie Detlef
vermutet hatte, im Vollrausch zu seiner Ehefrau zurückgekehrt. Man wünschte ihm
gute Besserung. Mein Onkel besprach sich unter vier Augen mit Benedikt. Und
siehe da: Benedikt sollte nun selbständig den Altersheim-Wettbewerb bearbeiten.
Onkel Georg war full-time mit einem andern Projekt beschäftigt, er wollte
Benedikt völlig freie Hand lassen, würde ihm aber jederzeit helfen. Benedikt
war entschlossen, die Herausforderung allein zu bewältigen. Er
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