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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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hoffnungslosen
Klamotten dieser Leute ein Wort verliert, leben sie im Glauben, alles sei
tadellos. In Wirklichkeit guckt jeder weg, weil sie so peinlich angezogen sind,
als liefen sie mit offener Hose rum. Genau: Auch Mercedes war angezogen wie
eine offene Hose!
    Ich rege mich darüber so auf,
weil wir Innenarchitekten ganz besonders unter solchen Leuten leiden. Alle
Dozenten mit Praxiserfahrung hatten uns gewarnt, wie schwierig es ist, mit
geschmacklosen Leuten zu arbeiten. Drei geschmacklose Auftraggeber — danach sei
man reif für die Klapsmühle. Die sehen keinen Unterschied zwischen guten und
miserablen Farbkombinationen, quatschen aber überall rein. Ein Dozent hat uns
erklärt, daß erwiesenermaßen fünf Prozent der Bevölkerung farbenblind sind, und
aus irgendwelchen vererbungstechnischen Gründen sind fast nur Männer
farbenblind — was besonders blöd ist, weil bei Großprojekten fast nur Männer
Auftraggeber sind. So kommt es durchaus häufig vor, daß man sich mit
farbenblinden Geschmacksexperten herumschlagen muß. Über dieses Thema könnte
ich mich totärgern! Und nun konnte ich nicht mal eine schöne Tischdecke in
diesen Haushalt einbringen, obwohl ich sie selbst bezahlt hatte!
    »Bei mir würde die Decke in die
Küche passen«, sagte Mercedes.
    Ach, daher wehte der Wind. »Sie
würde sich mit deinem Négligé beißen«, sagte ich und versuchte dabei zu
lächeln, als wäre es ein Witz.
    »Ja, bei Medi würde sie sehr
gut in die Küche passen«, sagte Nora. »Und ich habe ja noch die wunderschöne
Decke, die Medi als Kind bestickt hat.«
    Ich warf Benedikt einen
durchdringenden Blick zu. Er wußte, was diese Tischdecke für mich bedeutete.
    »Wir leihen dir die Decke, und
dafür leihst du Viola die Miete, bis Viola einen Job hat«, sagte Benedikt.
    »Wieso denn das?« rief
Mercedes. »Werden hier an Geschenke Bedingungen geknüpft?«
    »Genau«, sagte Benedikt, »diese
Decke wurde unter der Bedingung geschenkt, daß sie in unsere Küche kommt.«
    »Also gut, wenn du solchen Wert
darauf legst«, sagte Nora, als würde sie nur Benedikt zuliebe eine Tischdecke
in ihrer Küche dulden, die sich angeblich mit den staubüberkrusteten
Fettflecken ihrer Wände biß. Aber damit war die Decke gerettet. Alles andere
war mir egal.
    Nora schenkte Benedikt einen
ledergebundenen Terminplaner, den hatte er sich gewünscht. Sie gab ihm das
Geschenk mit Rechnung, damit er es von der Steuer absetzen konnte. Mercedes
bekam von ihr ein klotziges finnisches Silberarmband, das Mercedes als
Avantgarde-Design bezeichnete. Mir schenkte Nora eine Flasche Cognac und
erklärte ungefragt, das >V. S. O. P.< auf dem Etikett bedeute >Very
Superior Old Product< und das sei ganz was Hochwertiges. Dann meinte sie,
nach einem guten Essen täte ein guter Cognac gut, und ich dürfte die Flasche
gleich aufmachen.
    Mercedes schenkte mir ein
Parfüm. Es trug den Namen einer häßlichen Tennisspielerin, die in letzter Zeit
nur verloren hatte. Garantiert war das Parfüm entsprechend reduziert gewesen.
Ich tat trotzdem so, als hätte ich mir schon immer gewünscht, wie eine häßliche
Tennisspielerin zu riechen.
    Benedikt schenkte seiner Mutter
und seiner Schwester je eine edle Kiste mit feinsten Obstschnäpsen. Beide
meinten, die seien viel zu wertvoll, um sie jetzt aufzumachen, und tranken
weiter den hochwertigen Cognac.
    Endlich gab mir Benedikt ein
winziges, in violettes Papier eingewickeltes Schächtelchen.
    »Soll ich mal raten, was drin
ist?« sagte ich.
    »Es ist nur ein kleines
Geschenk.«
    »Das ist nicht zu übersehen.«
    In dem Schächtelchen waren
Ohrringe, sie sahen aus wie Veilchen. In der Mitte war ein Brilli. Verblüfft
nahm ich sie in die Hand. Sie waren aus Plastik. Der Brilli war aus Straß.
»Warum denn Ohrringe?«
    »Ich dachte, daß
Veilchenohrringe so gut zu dir passen.«
    Nora rief: »Veilchen heißt auf
lateinisch Viola! Passender hättest du die Ohrringe nicht wählen können,
Benedikt!«
    Ich überlegte, ob ich so tun
sollte, als hätte ich das, nachdem ich seit fünfundzwanzig Jahren Viola heiße,
nicht gewußt. Ich hatte einen Kloß im Hals. Aber lächelnd steckte ich die
Ohrringe an und sagte: »Das war bestimmt nicht alles.«
    Benedikt sagte geheimnisvoll:
»Mein Geschenk für dich ist etwas kleiner als dein Geschenk für mich — aber
meine Überraschung für dich ist viel größer. Bleibt mal alle hier sitzen.« Er
ging hinaus. Wir hörten die Haustür klappen.
    Ich saß zwischen Nora und
Mercedes, sah auf den

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