Der Mann im braunen Anzug
Ingwerbier.
Während der nächsten drei Tage blieb ich ächzend und stöhnend in meiner Kabine und dachte nicht mehr an meine Aufgabe. Die Lösung von Geheimnissen hatte jeden Reiz für mich verloren. Das war nicht mehr die Anne, die sich so strahlend von Mrs Flemming verabschiedet hatte.
Ich muss immer wieder lachen, wenn ich an diesen Abschied zurückdenke. Die Flemmings waren rührend besorgt um mich, als ich ihnen mitteilte, die Überfahrt sei bereits gebucht. Sie erhoben alle möglichen Einwände, und ich musste mich darauf hinausreden, dass ich beabsichtigte, in Kapstadt eine Stelle als Stubenmädchen anzunehmen. Stubenmädchen seien dort sehr gesucht, behauptete ich kühn. Im Grunde ihres Herzens war Mrs Flemming natürlich froh, die Verantwortung für mich loszuwerden, und so ließen sie mich schließlich ziehen. Beim Abschied drückte sie mir fünf nagelneue Fünfpfundnoten in die Hand.
So gelangte ich denn glücklich an Bord der Kilmorden Castle, mit fünfundzwanzig Pfund in der Tasche und der Hoffnung auf Abenteuer. Doch jetzt hatte mich diese Hoffnung gänzlich verlassen, und ich besaß nur noch einen einzigen Wunsch: Möglichst bald in meiner Kabine sterben zu können. Am vierten Tag brachte mich die Stewardess endlich dazu, an Deck zu gehen. Sie überredete mich mit dem Hinweis, wir würden gegen Mittag Madeira anlaufen. Eine leise Hoffnung regte sich in mir. Ich könnte in Madeira das Schiff verlassen und dort eine Stelle als Stubenmädchen suchen.
In Decken und Mantel gehüllt, sterbensmüde und schwach auf den Beinen, wurde ich in einen Liegestuhl gepackt. Dort lag ich nun mit geschlossenen Augen neben ein paar anderen Kranken und hasste das Leben. Der Zahlmeister, ein blonder junger Mann mit einem Kindergesicht, setzte sich eine Weile zu mir.
«Hallo! Sie fühlen sich wohl sehr schlecht?»
«Ja», sagte ich und hasste auch ihn.
«Nun, in ein paar Tagen werden Sie sich selbst nicht mehr erkennen. Es ist wahr, wir hatten in der Bucht etwas Seegang, doch jetzt steht ruhiges Wetter in Aussicht. Morgen nehme ich Sie zu den Deckspielen mit.»
Ich gab keine Antwort.
«Sie glauben jetzt natürlich, Sie werden sich nie erholen, nicht wahr? Aber ich habe schon Leute gesehen, denen es noch viel schlechter ging als Ihnen, und schon zwei Tage später genossen sie die Freuden der Reise. Nur Geduld, Ihnen wird es genauso ergehen.»
Ich fühlte mich viel zu schwach, um ihn einen Lügner zu nennen, und blickte ihn nur verachtungsvoll an. Er schwatzte noch ein paar Minuten und empfahl sich dann glücklicherweise. Passagiere schlenderten an mir vorbei, lachende junge Leute, vergnügt hopsende Kinder.
Die Luft war angenehm frisch, und die Sonne leuchtete. Unmerklich begann ich mich etwas besser zu fühlen. Ich beobachtete das Kommen und Gehen der Leute. Eine junge Dame interessierte mich besonders. Sie mochte etwa dreißig Jahre als sein, war mittelgroß, hellblond und hatte ein rundes, lustiges Gesicht mit Grübchen. Ihr Kleid war sehr einfach, aber es besaß jenes undefinierbare Etwas, das beste Pariser Maßarbeit verriet. In liebenswürdiger, selbstsicherer Weise benahm sie sich so, als ob ihr das ganze Schiff gehöre.
Die Stewards rannten hin und her, um ihre Wünsche zu erfüllen. Sie schien einer der wenigen Menschen zu sein, die wissen, was sie wollen, die ihr Ziel stets erreichen und dabei doch immer liebenswürdig bleiben. Ich dachte bei mir, es müsste schön sein, mit dieser Dame zu plaudern, wenn ich jemals wieder gesund würde.
Wir erreichten Madeira um die Mittagszeit. Ich war immer noch zu schwach, um aufzustehen, aber ich freute mich an den malerischen Händlern, die an Bord kamen und ihre Waren ausbreiteten.
Die attraktive junge Dame war an Land gegangen. Doch kurz vor der Abfahrt kam sie mit einem Herrn zurück. Er war groß, hatte dunkles Haar und ein gebräuntes Gesicht – bestimmt der am besten aussehende Mann an Bord. Als die freundliche Stewardess mir eine zweite Decke brachte, erkundigte ich mich nach der jungen Frau.
«Das ist eine Lady aus der High Society, Mrs Suzanne Blair. Sie haben sicher schon über sie in den Zeitungen gelesen.»
Ich nickte und betrachtete sie mit neuem Interesse. Mrs Blair war bekannt als eine der elegantesten Damen der Gesellschaft. Sie schien den großen Herrn zu ihrem bevorzugten Kavalier erwählt zu haben, und er wusste diese Ehre vollauf zu schätzen.
Am folgenden Morgen sah ich Mrs Blair wieder spazieren gehen auf Deck, natürlich begleitet von
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