Der Mann im braunen Anzug
auf allen Vieren herum. Und trotzdem: nicht das geringste Anzeichen von Anne Beddingfeld. Man neigt zu der Vermutung, dass sie geschlafwandelt hat. Gewisse Anzeichen auf dem Pfad bei der Brücke deuten darauf hin, dass sie dort über den Rand gefallen sein könnte. Wenn das stimmt, besteht keine Hoffnung mehr. Leider sind bereits alle Fußabdrücke durch die Gesellschaft, die heute in aller Herrgottsfrühe dort herumgetrampelt ist, verwischt worden.
Ich halte das für keine sehr befriedigende Theorie. Man spricht doch immer davon, dass Schlafwandler einen sechsten Sinn besitzen, der sie vor allem Ungemach schützt. Auch Mrs Blair scheint nicht recht befriedigt davon.
Diese Frau ist mir unverständlich. Ihr ganzes Verhalten Race gegenüber hat sich gewandelt. Sie beobachtet ihn wie die Katze ihre Maus und muss sich offensichtlich anstrengen, wenigstens höflich zu ihm zu sein. Dabei waren sie bisher die engsten Freunde. Sie ist überhaupt nicht mehr sie selbst, ist nervös, hysterisch geworden, fährt beim leisesten Laut in die Höhe.
Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass ich nach Johannesburg abreise.
Gestern tauchte ein Gerücht auf über eine geheimnisvolle Insel mitten im Strom, die von einem Mann und einem jungen Mädchen bewohnt sein soll. Race wurde ganz aufgeregt. Die Sache erwies sich jedoch als harmlos, denn der Mann auf der Insel lebt seit Jahren dort und ist in dem Hotel gut bekannt. Er fährt Gesellschaften auf seinem Boot herum und zeigt ihnen, wo es Krokodile und dergleichen gibt. Wahrscheinlich hat er eines darauf abgerichtet, dass es von Zeit zu Zeit Stücke aus dem Boot beißt. Dann wird er es mit dem Haken verjagen, und die ganze Gesellschaft ist selig, weil sie ein echtes, gefräßiges Krokodil gesehen hat. Ich weiß, wie solche Dinge gedreht werden. Man hat nicht herausgefunden, wie lange das Mädchen schon bei ihm lebt; aber es scheint ziemlich sicher, dass es sich nicht um Anne handelt. Auch darf man sich nicht so einfach in das Privatleben des jungen Mannes einmischen. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich mir das hübsch verbitten und Race mit Fausthieben von der Insel jagen. Liebesgeschichten gehen uns nichts an.
Später
Es ist beschlossen, dass ich morgen nach Johannesburg fahre. Race hat mich ebenfalls dazu gedrängt. Hoffentlich werde ich nicht von einem Streikenden niedergeschossen. Mrs Blair hatte vor, mich zu begleiten, aber jetzt hat sie plötzlich ihre Absicht geändert und will hier bleiben. Es sieht fast so aus, als ob sie Race nicht aus den Augen lassen will. Heute Abend erschien sie bei mir und bat mich zögernd, ihr einen Gefallen zu erweisen. Ob ich wohl ein paar ihrer kleinen Andenken mitnehmen würde?
«Doch nicht etwa die Holztiere?», fragte ich erschrocken. Komischerweise hatte ich schon lange das Empfinden, dieses Viehzeug würde mich noch einmal in Verlegenheit bringen.
Schließlich einigten wir uns auf einen Kompromiss. Ich erklärte mich bereit, zwei kleinere Holzkisten mit zerbrechlichen Artikeln für sie in Verwahrung zu nehmen, während die Tiere in große Kisten gepackt und mit der Post nach Kapstadt gesandt werden sollen, wo Pagett für ihre weitere Unterbringung Sorge tragen kann.
Pagett zerrt wie wild an seiner Leine; er möchte unbedingt nach Johannesburg fahren und mich dort treffen. Mrs Blairs Kisten geben einen guten Vorwand ab, ihn in Kapstadt zurückzuhalten. Ich habe ihm bereits geschrieben, dass er vorläufig dort bleiben muss, um sie in Empfang zu nehmen und in sichere Verwahrung zu bringen, da sie von unermesslichem Wert seien.
Alles ist also gut vorbereitet, und ich werde mit Miss Pettigrew zusammen ins Blaue hinausfahren. Wer Miss Pettigrew einmal gesehen hat, kann nicht an der völligen Harmlosigkeit dieser Fahrt zweifeln!
29
Johannesburg, den 6. März
Ich habe unendlich viele Ausreden erfunden, um Pagett in Kapstadt zurückzuhalten. Schließlich ist meine Einbildungskraft versiegt. Morgen kommt er her, um wie ein treuer Hund an der Seite seines Herrn zu sterben. Und dabei bin ich während seiner Abwesenheit mit meinen Erinnerungen eines Politikers so schön vorwärts gekommen.
Heute Morgen interviewte mich ein hoher Regierungsbeamter. Er zeigte sich zugleich höflich, überredend und geheimnisvoll. Bereits zu Beginn sprach er von meiner exponierten Stellung und meiner Wichtigkeit, um zu betonen, dass es besser für mich wäre, so schnell wie möglich nach Pretoria abzureisen. Er würde mir gern dabei behilflich
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