Der Mann im braunen Anzug
sein.
«Sie erwarten also hier größere Schwierigkeiten?», fragte ich.
Seine Antwort war so gewunden, dass sich nichts daraus entnehmen ließ. Und das bestärkte mich in meiner Annahme. Ich bemerkte höflich, dass seine Regierung dem Streik leider zu lange zugesehen habe, ohne einzugreifen.
«Es sind ja gar nicht die Streikenden allein», verteidigte er sich. «Hinter ihnen ist eine ganze Organisation am Werk. Plötzlich sind Waffen und Munition in Mengen vorhanden. Wir sind in den Besitz von Dokumenten gelangt, die Licht auf die Methoden werfen, wie sie ins Land kommen konnten. Ein regelrechter Kode wurde verwendet: Kartoffeln bedeutet Sprengstoffe, Kohl Gewehre, und so geht es weiter, alle Waffen sind mit dem Namen eines Gemüses bezeichnet.»
«Das ist höchst interessant», erwiderte ich.
«Mehr als das, Sir Eustace, weit mehr als das! Wir haben sogar Grund zu der Annahme, dass der Mann, der diese ganzen Unruhen angestiftet hat – der Spiritus Rector sozusagen –, zurzeit in Johannesburg weilt.»
Er starrte mich so lange an, dass ich beinahe den Eindruck gewann, er halte mich für diesen Staatsverbrecher. Kalter Schweiß brach mir bei dem Gedanken aus, und ich begann meine Neugier zu verwünschen, die mich in diesem dramatischen Augenblick nach Johannesburg geführt hatte.
Doch dann fuhr er fort: «Momentan verkehren keine Züge zwischen Johannesburg und Pretoria, aber ich könnte Ihnen einen Privatwagen zur Verfügung stellen. Und für den Fall, dass man Sie unterwegs anhalten sollte, würde ich Ihnen zwei Pässe ausstellen, den einen von der Regierung der Südafrikanischen Union, den anderen mit einer offiziellen Bestätigung, dass Sie ein englischer Tourist sind, der mit der Union nicht das Geringste zu schaffen hat.»
«Mit anderen Worten, einen für Ihre Regierungsleute, den anderen für die Streikenden?»
«Genau so, Sir Eustace.»
Der Vorschlag sagte mir gar nicht zu – ich weiß, was in solchen Fällen nur allzuleicht geschieht. Im kritischen Moment wird man verwirrt und bringt alles durcheinander. Ich würde bestimmt den falschen Pass den falschen Leuten aushändigen und schließlich entweder von einem blutdürstigen Rebellen oder von einem Vertreter des Rechts kurzerhand erschossen werden. Außerdem, was soll ich in Pretoria? Die Regierungsgebäude bewundern und das Echo der Zeitungen über die Schießereien in Johannesburg studieren? Gott weiß, wie lange ich dort eingepfercht wäre. Die Eisenbahnschienen sind bereits in die Luft gesprengt, wie ich gehört habe. Und über die Stadt selbst ist seit zwei Tagen der Ausnahmezustand verhängt worden.
«Aber, mein lieber Freund», wandte ich ein, «Sie sind sich nicht klar darüber, dass ich eigens hierher gekommen bin, um die politischen Verhältnisse zu studieren. Wie zum Teufel kann ich die Sache von Pretoria aus verfolgen? Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfsbereitschaft, aber Sie brauchen sich wirklich nicht um mich zu sorgen.»
«Ich muss Sie warnen, Sir Eustace, die Lebensmittel werden knapp.»
«Etwas fasten wird meiner Figur gut tun.»
Wir wurden durch einen Boten unterbrochen, der mir ein Telegramm aushändigte. Ich las mit Verblüffung: «Anne bei mir in Kimberley – Suzanne Blair.»
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich nie ernstlich daran geglaubt hatte, Anne Beddingfeld sei umgekommen. Das Mädchen ist ein Stehaufmännchen, sie hat ein ganz besonderes Geschick, lächelnd wiederaufzutauchen, als ob nichts geschehen wäre. Ich verstehe immer noch nicht, weshalb sie mitten in der Nacht das Hotel verließ und wie sie überhaupt nach Kimberley gelangte. Jedenfalls fuhr zu dieser Zeit kein Zug. Sie muss ein Paar Engelsflügel besessen haben. Und wie ich sie kenne, wird sie nicht daran denken, die Sache aufzuklären – wenigstens mir gegenüber nicht. Gegen mich hüllt sich alles in Schweigen, ich bin immer nur aufs Raten angewiesen. Und das wird auf die Dauer langweilig.
Nun gut, sie ist also wiederaufgetaucht. Ich faltete das Telegramm zusammen und konnte schließlich auch den Regierungsbeamten loswerden. Es sagt mir nicht besonders zu, hungern zu müssen, aber um meine persönliche Sicherheit bin ich nicht besorgt. General Smuts wird mit diesem Revolutiönchen schon fertig werden. Doch ich würde viel darum geben, jetzt eine Flasche Whisky zu bekommen! Hoffentlich ist Pagett gescheit genug, morgen eine mitzubringen.
Ich setzte meinen Hut auf und ging aus, um ein paar kleine Andenken zu kaufen. Die
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