Der Mann im braunen Anzug
Antiquitätengeschäfte in Johannesburg führen recht originelle Sachen. Ich blieb an einem Schaufenster stehen und betrachtete die Auslage, als ein Mann herauskam. Zu meiner Überraschung erkannte ich in ihm Race.
Ich kann nicht behaupten, dass er glücklich schien, mich zu sehen. Er machte im Gegenteil ein recht verstörtes Gesicht, aber ich bestand darauf, dass er mich zum Hotel zurückbegleitete. Es ist etwas eintönig, wenn man immer nur Miss Pettigrew zur Unterhaltung hat.
«Ich hatte keine Ahnung, dass Sie in Johannesburg sind», sagte ich. «Wann sind Sie eingetroffen?»
«Gestern Abend.»
«Und wo wohnen Sie?»
«Bei Freunden.»
Er spielte wieder einmal den großen Schweiger, und meine Frage schien ihn in Verlegenheit zu bringen.
Als wir im Hotel waren, sagte ich: «Sie werden wohl bereits gehört haben, dass Miss Beddingfeld wiederaufgetaucht und höchst lebendig ist?»
Er nickte.
«Sie hat uns allen einen tüchtigen Schrecken eingejagt», fuhr ich fort. «Wohin zum Teufel ist sie eigentlich in jener Nacht verschwunden?»
«Sie war die ganze Zeit auf der Insel versteckt.»
«Auf welcher Insel? Doch nicht etwa bei diesem jungen Mann?»
«Doch.»
«Das gehört sich einfach nicht! Mein guter Pagett wird sehr schockiert sein. Weiß man, wer dieser Bursche ist?»
«Ich vermute, es handelt sich dabei um einen jungen Mann, den wir alle sehr gern in die Finger bekämen.»
«Meinen Sie etwa…?», rief ich in steigender Erregung.
Er nickte.
«Harry Rayburn alias Harry Lucas, wie er wirklich heißt. Einmal ist er uns durch die Lappen gegangen, aber diesmal soll er uns nicht entkommen.»
«Du liebe Zeit!», murmelte ich.
«Es ist nicht anzunehmen, dass das Mädchen seine Komplizin ist. Bei ihr handelt es sich höchstwahrscheinlich nur um eine Liebesgeschichte.»
Ich war immer der Meinung gewesen, Race sei selbst in das Mädchen verliebt. Die Art, wie er die letzten Worte sagte, bestärkte mich darin.
«Sie ist nach Beira gefahren», fuhr er hastig fort.
«Tatsächlich?» Ich blickte ihn erstaunt an. «Woher wissen Sie das?»
«Sie schrieb mir ein paar Zeilen von Bulawajo aus, in denen sie mir mitteilte, sie fahre direkt nach England zurück. Das Beste, was sie tun kann, die Arme.»
«Ich glaube nicht recht daran, dass sie in Beira ist», erwiderte ich nachdenklich.
«Als sie mir schrieb, befand sie sich auf dem Weg dorthin.»
Ich war sehr verblüfft. Irgendetwas lag in der Luft. Ohne zu überlegen, dass Anne wahrscheinlich einen guten Grund für ihre Täuschungsmanöver besaß, zog ich das Telegramm aus der Tasche und reichte es Race.
«Wie erklären Sie sich dann das?», fragte ich.
«Beide Damen in Kimberley», sagte Race kopfschüttelnd. «Was tun sie dort?»
«Ja, das frage ich mich auch. Ich hätte eher angenommen, dass Miss Anne schleunigst hierher nach Johannesburg käme, um aus erster Hand Berichte über die Revolte ans Da il y Budget zu liefern.»
«Kimberley!», wiederholte er. «Dort gibt es überhaupt nichts zu sehen – in den Minen wird nicht gearbeitet.»
Er ging noch immer kopfschüttelnd davon. Ich hatte ihm anscheinend etwas zum Nachdenken aufgegeben.
Kaum war er fort, erschien mein Regierungsbeamter wieder auf dem Plan.
«Verzeihen Sie, wenn ich Sie nochmals störe, Sir Eustace», entschuldigte er sich. «Aber ich muss Ihnen leider noch eine kleine Frage stellen.»
«Fragen Sie, fragen Sie ruhig, mein Freund», sagte ich herzlich.
«Es betrifft Ihre Sekretärin…»
«Miss Pettigrew?», rief ich erstaunt.
«Jawohl, Sir Eustace. Man hat sie gesehen, als sie aus Agrasatos Antiquitätengeschäft kam und…»
«Du lieber Himmel», unterbrach ich ihn, «ich selbst wollte heute Nachmittag ebenfalls bei Agrasato einkaufen. Sie hätten also auch mich dort entdecken können.»
Anscheinend kann man in Johannesburg nicht den harmlosesten Schritt tun, ohne bespitzelt zu werden.
«Sie ist aber mehr als einmal dort gesehen worden, und zwar unter recht eigenartigen Umständen. Ich möchte Ihnen im Vertrauen sagen, Sir Eustace, dass gerade dieses Geschäft im Verdacht steht, ein geheimer Treffpunkt der Organisation zu sein, die hinter der Rebellion steckt. Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie mir genauere Auskünfte über Ihre Sekretärin geben könnten. Auf welche Weise ist sie in Ihre Dienste gekommen?»
«Sie wurde mir durch Ihre eigene Regierung in Kapstadt empfohlen», sagte ich kalt.
Er fiel beinahe in Ohnmacht.
30
Annes Bericht
Sobald ich in Kimberley
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