Der Mann im braunen Anzug
eintraf sandte ich Suzanne ein Telegramm. Sie folgte mir mit dem nächsten Zug und meldete mir ihre Ankunft telegrafisch. Ihre Eile verriet mir, dass sie mich wirklich ins Herz geschlossen hatte. Das überraschte und rührte mich sehr, denn ich war immer der Meinung gewesen, ich bedeute bloß eine kurzweilige Sensation für sie. Aber bei ihrer Ankunft fiel sie mir um den Hals und brach in Tränen aus.
Als wir uns etwas beruhigt hatten, erzählte ich ihr die ganze Geschichte haarklein von A bis Z.
«Du hast Colonel Race stets im Verdacht gehabt», sagte sie nachdenklich, als ich geendet hatte. «Ich war anderer Ansicht – bis zu dem Abend, als du verschwunden bist. Ich habe so viel von ihm gehalten und dachte, er wäre ein guter Ehemann für dich. O Anne, sei mir nicht böse, aber woher willst du wissen, dass dein junger Freund die volle Wahrheit sagt? Du scheinst an jedes Wort von ihm wie an das Evangelium zu glauben.»
«Selbstverständlich tue ich das!», rief ich voller Empörung.
Suzanne zuckte mit den Schultern. Dann sagte sie: «Ich muss dir ebenfalls einiges erzählen, Anne. Siehst du, als auch ich Colonel Race verdächtigte, wurde ich sehr unruhig wegen der Diamanten. Ich wusste nicht, wie ich die Steine loswerden sollte. Ich wagte nicht, sie länger bei mir zu behalten…»
Suzanne blickte sich ängstlich um, als ob sie einen Lauscher befürchtete, und dann flüsterte sie mir etwas ins Ohr.
«Ein ausgezeichneter Gedanke», stimmte ich ihr zu. «Was hat Sir Eustace mit den Kisten gemacht?»
«Die großen sind nach Kapstadt gesandt worden. Pagett hat mir berichtet, dass sie gut eingetroffen sind, und hat mir gleichzeitig die Quittung für die Lagerung zugestellt. Übrigens verlässt er heute Kapstadt, um sich mit Sir Eustace in Johannesburg zu treffen.»
«Das scheint also in Ordnung», meinte ich. «Und wo befinden sich die kleinen Holzkisten?»
«Ich nehme an, dass Sir Eustace sie bei sich hat.»
Ich dachte über die Sache nach. «Schön», sagte ich schließlich. «Es ist zwar keine Ideallösung, aber ich glaube, wir lassen es im Augenblick dabei.»
Ich sah im Fahrplan nach, wann Guy Pagetts Zug durch Kimberley fuhr. Ich fand heraus, dass er am nächsten Tag um 5 Uhr 40 eintreffen und um 6 Uhr weiterfahren sollte. Ich hatte meine Gründe, Pagett so bald wie möglich zu sprechen, und dies schien mir eine günstige Gelegenheit. Die Lage in Johannesburg wurde immer kritischer, und es war ungewiss, wann ich wieder eine Gelegenheit zu einer Unterhaltung mit ihm finden würde.
Das Einzige, das diesen Tag für mich lebenswert machte, war ein Telegramm aus Johannesburg, ein kurzer, harmlos scheinender Bericht:
Glücklich eingetroffen. Alles geht gut, Eric hier, ebenso Eustace, jedoch nicht Guy. Verhalte dich ruhig, Andy.
«Eric», war unser Pseudonym für Colonel Race. Ich hatte diesen Namen gewählt, weil er mir von jeher äußerst unsympathisch war.
Mit nur zehn Minuten Verspätung fuhr der Zug ein. Sämtliche Reisenden stürzten sich auf den Bahnsteig, um sich etwas Bewegung zu verschaffen. Es war nicht schwierig, Pagett zu entdecken. Ich war bereits gewohnt, dass er nervös zusammenzuckte, wenn er mich sah, doch diesmal geschah es noch auffallender als sonst.
«Guter Gott – Miss Beddingfeld! Man hat mir gesagt, Sie seien verschwunden.»
«Ich bin wieder aufgetaucht», entgegnete ich. «Wie geht es Ihnen?»
«Danke, danke, sehr gut. Ich freue mich, die Arbeit mit Sir Eustace wieder aufnehmen zu können.»
«Mr Pagett», sagte ich, «ich möchte Sie etwas fragen und hoffe, dass Sie nicht gekränkt sein werden. Aber es hängt viel mehr von Ihrer Antwort ab, als Sie vermuten können. Würden Sie mir sagen, weshalb Sie am 8. Januar in Marlow waren?»
Er fuhr erschrocken zurück.
«Aber Miss Beddingfeld… ich… wirklich…»
«Sie waren doch dort, nicht wahr?»
«Ja… das heißt… aus ganz bestimmten privaten Gründen hielt ich mich in der Nachbarschaft auf.»
«Wollen Sie mir diese Gründe nicht verraten?»
«Hat Sie Sir Eustace nicht aufgeklärt?»
«Sir Eustace? Weiß er es denn?»
«Ich bin dessen fast sicher. Ursprünglich glaubte ich, er habe mich nicht erkannt, aber seine spöttischen Bemerkungen beweisen mir, dass es doch der Fall war. Ich war bereits entschlossen, ihm alles zu sagen und um meine Entlassung zu bitten. Er hat einen eigentümlichen Humor, und es macht ihm Vergnügen, mich auf die Folter zu spannen. Ich bin überzeugt, dass er mein Geheimnis kennt –
Weitere Kostenlose Bücher