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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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wir auch noch Anwaltskosten und Gerichtskosten zahlen. Und die einzige Arbeit, die ich jetzt habe, besteht darin, den ganzen Tag an einem Schreibtisch zu sitzen und nichts zu tun.
    Was passiert, wenn wir das Haus verlieren und die Rechnungen sich stapeln und ich gefeuert werde? Was machen wir dann? Und was passiert, wenn Maria Ärger macht?
    Ich kann immer Arbeit bekommen, dachte er. Dick Haver würde mir wieder Arbeit geben. Irgendwo komme ich schon wieder unter.
    Vielleicht, dachte er. Wenn Hopkins mich ein halbes Jahr, nachdem er mich eingestellt hat, wieder feuert, würden die Leute wissen wollen, warum. Und wenn das mit Maria bekannt würde – wenn sie irgendwelche Forderungen stellt –, dann würde mich keine Stiftung mehr haben wollen. Und für welche andere Arbeit bin ich denn ausgebildet, verdammt?
    Ich könnte ja wieder zur Armee, dachte er. Die würden mich zum Major machen. Gute Bezahlung, Reisen, Bildung, Sicherheit. Dann könnte Großmutter vom Himmel herabschauen und richtig stolz auf mich sein – sie könnte mit den Engeln über den Major in der Familie reden und dazu noch ehrlich sein.
    Großmutter, dachte er – mein Gott, was war sie nur für eine Frau? Hat sie Edward den ganzen Besitz versprochen, nur damit sie für den Rest ihres Lebens noch bedient wurde? Und hatte sie Angst, es mir zu sagen, weil sie auch nicht die kleinsten Spannungen aushielt? Trieb sie ein doppeltes Spiel, hatte sie ihren Spaß dabei, mir zu erzählen, dass sie mir alles hinterlässt und gleichzeitig dem Leben den letzten Tropfen Muße abpresste? War sie, wenn man es sich mal genau ansah, nur eine böse, prätentiöse, verlogene alte Frau, von der nichts anderes zu erwarten war, als dass sie Böses erzeugte, einen Selbstmord und ein …
    Das ist doch lächerlich, dachte er – das mache ich nicht. So wichtig ist Geld auch nicht. Ich bin zäh. Ich kriege immer Arbeit. Ich kann wieder zur Armee. Reisen, Bildung, Sicherheit. Solche Zeiten wie jetzt sind wie für mich gemacht – einen zähen Hund, der weiß, wie man mit einer Waffe umgeht. Und das müsste ich nicht mal tun. Wenn es zum Schlimmsten kommt, könnte ich einen Graben ausheben, ich könnte einen Fahrstuhl bedienen wie Caesar, und im Himmel könnte Großmutter sagen: »Mein Enkel ist in der Transportbranche.«
    Es ist doch absurd, solche Dinge zu denken, dachte er. Ich könnte Arbeit in einer Werbeagentur bekommen. Dann schreibe ich Texte, mit denen ich den Leuten sage, sie sollen mehr Cornflakes essen und immer noch mehr Zigaretten rauchen und mehr Kühlschränke und Autos kaufen, bis sie vor Glück explodieren.
    Ich sollte mich nicht aufregen, dachte er. Eigentlich ist es egal. Wird schon schiefgehen. Es wird interessant sein zu sehen, was passiert.
    Vielleicht wird ja doch alles gut, dachte er. Vielleicht wird es das ja tatsächlich. Betsy sagt, man muss glauben, dass alles gut wird, selbst wenn es nicht gut wird. Man darf sich nicht ständig Sorgen machen, irgendwann muss man damit aufhören. Man darf einfach nicht glauben, dass die Welt wahnsinnig ist, man muss glauben, dass alles gut wird. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Ich werde in Würde alt werden, und meine Kinder werden alle glücklich und gesund aufwachsen, und alles wird gut werden. Es ist lächerlich, dass Optimismus immer falsch klingt.
    Plötzlich fragte er sich, ob der junge Deutsche mit der Lederjacke, der so nachlässig mit seinem Gewehr dastand und hustete, Optimist gewesen war. Und er fragte sich, ob das Mädchen oder die Frau, die dem Mann mit der Lederjacke den Brief auf dünnem, blauem, leicht parfümiertem Papier geschrieben hatte, den Glauben gehabt hatte, dass alles gut würde. Und die anderen Männer, die er getötet hatte? Beispielsweise der Mann, der im Zickzack über den Strand gerannt war, während Tom das Maschinengewehr auf ihn richtete und die Kugeln den Sand hinter ihm aufwühlten, bis der Mann zusammengesackt war und ihm Blut aus dem Mund lief wie eine lange Zunge? Hatte er an etwas geglaubt? An was? Und Mahoney? Und Maria, die jetzt eben vielleicht versuchte, ihren Sohn allein großzuziehen?
    Vielleicht hatten die nicht geglaubt, dachte Tom. Vielleicht waren die ja wie ich und erwarteten immer die Katastrophe und waren überrascht, wenn sie nicht kam. Vielleicht sind wir ja alle, die Tötenden und die Getöteten, gleichermaßen verdammt. Nicht schuldig, nicht irgendwie klüger durch den Krieg, keine Helden, nur Männer, die entweder tot sind oder überzeugt,

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