Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Stößen.
    „Sie ist ganz nett, Dick!“ sagte Boardman. „Wer ist sie?“
    „Ein Mädchen, noch ziemlich jung, glaube ich.“
    „Jünger jedenfalls als die übliche Sorte, würde ich sagen. Und etwas schnippisch. Kennen Sie sie lange?“
    „Seit letztem Jahr, Charles. Interesse?“
    „Natürlich.“
    „Ich werde es ihr sagen“, erklärte Muller. „Irgendwann einmal.“
    Boardman lächelte ihn mit der Großzügigkeit und Freundlichkeit eines Buddhas an und deutete auf die gleitereigene Bar. Muller schüttelte den Kopf. Marta schwamm rücklings auf dem See. Die rosigen Spitzen ihrer Brüste waren gerade noch über der glatten Wasseroberfläche sichtbar. Die beiden Männer sahen sich an. Sie schienen im gleichen Alter zu sein, in den Fünfzigern. Boardman feist, kräftig und ergraut, Muller dagegen mager, kräftig und ergraut. Im Sitzen schienen sie sogar die gleiche Körpergröße zu haben. Aber dieser erste Anschein war falsch: Boardman war eine Generation älter, Muller knapp zwanzig Zentimeter größer. Sie kannten sich seit über dreißig Jahren.
    In gewisser Weise gingen sie auch einer ähnlichen Arbeit nach. Beide gehörten zum Personal des Stabes, der nicht in der Verwaltung tätig war, gehörten zu den Männern und Frauen, die die Struktur der menschlichen Gesellschaft, die über die ganze Galaxis verstreut lebte, zusammenhielten. Keiner von ihnen besaß einen Dienstgrad oder offiziellen Rang. Beiden gemeinsam waren eine gewisse Einsatzfreude und der Wunsch, ihre Fähigkeiten in den Dienst der Menschheit zu stellen.
    Muller respektierte Boardman für die Art, mit der er diese Fähigkeiten während einer langen und beeindruckenden Karriere eingesetzt hatte. Aber er wußte nicht, ob er den älteren Mann mochte. Er wußte, daß Boardman gerissen, skrupellos und dem Wohlergehen der Menschheit bedingungslos ergeben war. Und er wußte auch, daß diese Kombination von Ergebenheit und Skrupellosigkeit immer gefährlich war.
    Boardman zog einen Visionswürfel aus einer Tasche seiner Robe und legte ihn vor Muller auf den Tisch. Dort lag er wie ein Spielstein aus einem kniffligen Spiel. Er war an jeder Seite sechs oder sieben Zentimeter lang und von sanftgelber Farbe, die sich von der polierten, schwarzen Marmoroberfläche des Tisches abhob. „Legen Sie ihn ein“, sagte Boardman freundlich. „Der Rekorder steht direkt neben Ihnen.“
    Muller ließ den Würfel in den Eingabeschlitz ein. Aus der Tischmitte erhob sich ein großer Sichtwürfel mit einer Seitenlänge von fast einem Meter. Bilder erwachten in ihm. Muller sah einen wolkenumhüllten Planeten von mattgrauer Farbe. Es hätte die Venus sein können. Der Planet kam näher, und in dem Grau tauchten dunkelrote Streifen auf. Also nicht die Venus. Das Spionauge durchstieß die Wolkendecke und zeigte eine fremdartige Welt. Der Boden sah feucht und schwammig aus, gummiartige Bäume von der Form gigantischer Giftpilze erhoben sich aus ihm. Es war schwierig, ein Maß für die Größe zu finden, aber die Bäume wirkten tatsächlich riesig. Ihre blassen Stämme waren von spröden Fasern bedeckt und zwischen Boden und Wipfel wie ein Bogen gespannt. Tassenartiger Bewuchs umgab die Bäume an ihren Wurzeln und umringte sie bis zu etwa einem Fünftel der Stammeshöhe.
    Die Kronen wiesen weder Äste noch Blätter auf, sondern nur breite, flache Kappen, deren Unterseiten runzelig und besprenkelt waren. Während Muller zusah, traten drei fremdartige Gestalten aus einem dichten Gehölz. Sie besaßen einen unnatürlich langen, insektenähnlichen Körper. Bündel aus acht oder zehn miteinander verbundenen Extremitäten entsprangen ihren schmalen Schultern. Die Köpfe liefen spitz zu und waren rundum mit Augen besetzt. Die Nase bestand aus vertikalen Schlitzen, die sich von der Haut abhoben. Die Münder öffneten sich an den Seiten. Die Fremden gingen aufrecht auf zierlichen Beinen, die in kleinen, halbkugelförmigen Sockeln ausliefen. Obwohl sie bis auf einige wohl als Schmuck gedachte Stoffstreifen zwischen dem zweiten und dritten Gelenk nackt waren, konnte Muller nirgends Anzeichen für Geschlechtsmerkmale erkennen. Ihre Haut war unpigmentiert, wies das gleiche Grau auf, wie es auf dieser Welt vorzuherrschen schien, und war von rauher Beschaffenheit. Sie war mit einer Schicht kleiner und diamantförmiger Schuppengrate überzogen.
    Mit wunderbarer Grazie traten die Gestalten an drei der riesigen Giftpilzbäume und kletterten an ihnen hoch, bis sie oben auf dem

Weitere Kostenlose Bücher