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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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erreichen sollten. Bis dahin blieb er ganz gelassen im Zentrum der Stadt und ging seiner täglichen Routine nach.
    Morgens verbrachte er den Großteil seiner Zeit damit, über die Vergangenheit nachzudenken. In früheren Jahren hatte es für ihn andere Welten gegeben, andere Arten von Frühling, wärmere Jahreszeiten als diese hier. Sanfte Augen hatten in seine gesehen, andere Hände die seinen gehalten. Lächeln, Gelächter, blankpolierte Böden und elegant gekleidete Menschen, die sich unter halbkreisförmigen Bögen bewegten. Muller hatte zweimal geheiratet. Beide Male hatten sie sich nach der festgesetzten Zeit friedlich voneinander getrennt. Er war viel gereist und weit herumgekommen. Er hatte mit Königen und Ministern zu tun gehabt. In seiner Nase steckte der Duft von hundert Planeten, die quer über die Galaxis verstreut waren. Wir kommen nur ein kleines Stück voran, bevor wir die Weltbühne verlassen, dachte er. Im Frühling und Sommer seines Lebens war er verwöhnt worden und hatte viel Farbe bekommen. Es war hell gewesen. Jetzt war er nicht der Ansicht, er habe diesen dumpfen, freudlosen Herbst verdient.
    Die Stadt sorgte auf ihre Weise für ihn. Er hatte eine Wohnung – konnte unter Tausenden Wohnungen wählen. Von Zeit zu Zeit zog er um, bloß um einmal eine andere Aussicht zu haben. Alle Häuser hier waren nicht mehr als leere Kästen. Er hatte sich aus Tierhäuten ein Bett gebaut, es mit Fellstücken gefüllt und aus Leder, Sehnen und Knochen einen Stuhl gefertigt. Mehr brauchte er nicht. Die Stadt gab ihm Wasser. Wilde Tiere zogen in solchen Mengen durch die Stadt, daß es ihm nie an Nahrung mangeln würde, solange er nur so gesund blieb, um auf die Jagd gehen zu können. Einige wichtige Gegenstände hatte er von der Erde mitgebracht. Zum Beispiel drei Buch- und einen Musikwürfel, insgesamt ein Stapel von knapp einem Meter Höhe. Sie würden ausreichen, seiner Seele und seinem Gemüt in den Jahren Nahrung zu geben, die ihm noch verblieben. Er hatte auch einige erotische Würfel mitgebracht. Und er besaß einen kleinen Recorder, in den er manchmal seine Memoiren diktierte. Er hatte einen Schreibblock. Er verfügte über Waffen und einen Massedetektor. Er hatte ein Diagnostat, das selbständig und in ausreichender Menge Medikamente produzierte. Es reichte aus.
    Er aß regelmäßig. Er schlief lange und gut. Er machte sich nie Gewissensbisse, zweifelte nie an seinem Tun. Er war fast so weit, mit seinem Schicksal zufrieden zu sein. Bitterkeit kann man nur eine gewisse Zeit lang nähren, dann bildet das Unterbewußtsein eine Schutzkapsel um die Stelle, aus der das Gift kommt.
    Er machte heute niemandem mehr einen Vorwurf für das, was ihm zugestoßen war. Sein eigener Ehrgeiz war daran schließlich nicht unschuldig gewesen. Er hatte versucht, das ganze Universum zu erobern. Er hatte danach gestrebt, ein Gott zu sein. Und irgendeine unerbittlich lenkende Schicksalsmacht hatte ihn vom höchsten Ruhm hinabgestoßen, hatte ihn immer weiter stürzen lassen und zerschmettert, hatte ihn so besiegt zurückgelassen, daß er nur noch zu dieser toten Welt kriechen konnte, um dort seine gebrochene Seele so gut es ging zusammenzuflicken.
    Die Stationen seines Weges zu dieser Welt waren ihm nur zu gut bekannt. Mit achtzehn hatte er nackt unter den Sternen gelegen, die Wärme gespürt und sich seiner hochtrabenden Pläne gerühmt. Mit fünfundzwanzig war er sich seiner Ambitionen bewußt geworden und hatte sie erfüllt. Bevor er vierzig war, hatte er an die hundert Welten besucht und war auf dreißig von ihnen berühmt und bekannt. Ein Jahrzehnt später war er einer Verblendung erlegen, er glaubte sich zum Staatsmann berufen. Und im Alter von dreiundfünfzig hatte er sich von Charles Boardman dazu überreden lassen, die Mission nach Beta Hydri IV zu übernehmen.
    In jenem Jahr hatte er im Tau Ceti-System Ferien gemacht, ein Dutzend Lichtjahre von der Erde entfernt. Marduk, der vierte Planet in diesem System, war zur Vergnügungswelt für die Minenarbeiter umfunktioniert worden, die damit beschäftigt waren, dem Bruderplaneten die überschwenglich vorhandenen reaktiven Metalle zu entreißen. Muller gefiel es nicht, wie diese Welten ausgeplündert wurden, aber das hinderte ihn nicht daran, auf Marduk Erholung zu suchen. Es war eine Welt, die mit senkrechter Achse durch ihre Umlaufbahn zog und auf der es demzufolge kaum Jahreszeiten gab. Sie besaß vier Kontinente, die im stetigen Frühling von einem ruhigen, seichten

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