Der Mann im Labyrinth
ihnen einen einzelnen Botschafter entgegenzuschicken. Ein einziger Mensch, der sich ihnen in friedlicher Absicht nähert, ein gewitzter und erfahrener Mensch, der sich in einer ganzen Palette von außergewöhnlichen Situationen bewährt hat und der von alleine auf die richtigen Methoden kommt, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.
Dieser Mann findet sich vielleicht dreißig Sekunden, nachdem er diesen Kontakt initiiert hat, zu Hackfleisch verarbeitet wieder. Aber wenn er andererseits überlebt, wird er etwas absolut Einzigartiges in der menschlichen Geschichte vollbracht haben. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“
Wie sollte er dem widerstehen können? Als Botschafter der Menschheit zu den Hydriern! Allein und auf sich gestellt über fremden Boden zu schreiten und den kosmischen Nachbarn den ersten Gruß der Menschheit zu überbringen …
Das war seine Eintrittskarte zur Unsterblichkeit. Sein Name würde auf ewig zwischen den Sternen geschrieben stehen.
„Wie hoch sind die Überlebenschancen berechnet worden?“ fragte Muller.
„Wir gehen von einer Chance von eins zu fünfundsechzig aus, diese Mission unversehrt zu überleben, Dick. Sie dürfen nicht vergessen, daß Sie ein Lebenserhaltungssystem mitführen müssen, da jene Welt der Erde nicht sonderlich ähnlich ist. Und Sie sind nicht gegen einen frostigen Empfang gefeit. Wie steht’s? Eins zu fünfundsechzig.“
„Nicht allzu schlecht.“
„Ich persönlich würde mich nie auf ein solches Verhältnis einlassen“, sagte Boardman und grinste.
„Nein, Sie nicht, aber ich möglicherweise.“ Er trank sein Glas bis zum letzten Tropfen aus. Die Durchführung dieser Mission verhieß unsterblichen Ruhm. Zu versagen, selbst von den Hydriern abgeschlachtet zu werden, war unter diesen Voraussetzungen nicht so schlimm. Er hatte bisher ein gutes Leben geführt. Und es gab schlimmere Schicksalsschläge, als bei dem Versuch zu sterben, das Banner der Menschheit auf einer fremden Welt zu pflanzen. Der in seinem Innern pulsierende Stolz, sein Hunger nach Anerkennung, die kindische Sehnsucht nach immerwährendem Ruhm, der er seit seiner Jugend nicht entwachsen war, ließen keine Ablehnung zu. Und so schlecht sahen seine Chancen ja gar nicht aus.
Marta kehrte zurück. Sie war ganz naß, ihr nackter Körper glitzerte. Das nasse Haar klebte an ihrem schlanken Nacken. Die Brüste hoben und senkten sich in rascher Folge, kleine Halbkugeln aus Fleisch, an deren Spitze gekräuselte, rosafarbene Warzen standen. Sie könnte durchaus als etwas frühreife Vierzehnjährige durchgehen, dachte Muller, während er auf ihre schmalen Hüften und schlanken Oberschenkel sah. Boardman schob ihr einen Trockenapparat zu. Sie schaltete ihn ein, trat in das gelbe Feld und drehte sich einmal um sich selbst. Dann nahm sie ihr Kleid von der Ablage und zog sich ohne übertriebene Eile an. „Es war großartig“, erklärte sie. Ihr Blick traf Muller zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr. „Dick, was ist mit dir los? Du siehst so seltsam aus … wie benommen. Ist alles in Ordnung?“
„Alles bestens.“
„Was ist geschehen?“
„Mr. Boardman hat mir einen Vorschlag gemacht.“
„Sie können ihr alles erzählen, Dick. Wir haben nicht vor, die Sache streng geheim zu halten. Es soll ohnehin bald auf allen von Menschen bewohnten Welten bekanntgegeben werden.“
„Man will auf Beta Hydri IV landen“, sagte Muller mit heiserer Stimme. „Ein Mann soll hinab. Ich. Wie soll das überhaupt aussehen, Charles? Wird ein Schiff im Orbit stationiert, und dann fliege ich mit einem Beiboot hinab, das auch rückflugtauglich ist?“
„Ja.“
„Das ist Wahnsinn, Dick“, sagte sie. „Bitte geh nicht. Du wirst es dein Leben lang bereuen.“
„Falls es schiefgeht, Marta, bringt mir das einen raschen Tod ein. Und ich habe mich schon größeren Gefahren ausgesetzt.“
„Ach was. Ich will dir einmal etwas sagen, Dick. Manchmal habe ich so etwas wie ein zweites Gesicht. Ich kann in die Zukunft sehen.“ Sie lachte nervös auf. Ihre coole, intellektuelle Haltung war mit einem Schlag zunichte gemacht. „Ich glaube nicht, daß du das Leben verlierst, wenn du dorthin gehst. Aber ich weiß auch, daß du danach nicht mehr lange leben wirst. Bitte sag, daß du nicht gehst. Sag es, Dick.“
„Sie haben bislang noch nicht offiziell zugesagt“, erklärte Boardman.
„Das weiß ich“, sagte Muller. Er stand auf und stieß dabei beinahe mit dem Kopf gegen das niedrige Dach des Speisegleiters. Er trat auf Marta zu,
Weitere Kostenlose Bücher