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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hier?“ fragte Muller die Drohne. „Wer hat dich geschickt? Warum verschwindest du nicht wieder?“
    Rawlins wagte nicht zu antworten. Er hatte keine Vorstellung von dem Spiel, das Boardman in diesem Moment spielen wollte. Kurz entschlossen schaltete er die Drohne auf passives Verhalten um und rannte zu der Kuppel, unter der Boardman schlief.
    Der alte Mann ruhte unter einem Baldachin aus lebenserhaltenden Anlagen. Immerhin war er mit seinen knapp achtzig Jahren nicht mehr der Jüngste – obwohl er ganz und gar nicht wie ein Greis aussah. Eine Möglichkeit, sich das nicht ansehen zu lassen, bestand darin, sich jede Nacht an ein Regenerationssystem anzuschließen. Rawlins genierte sich ein wenig, Boardman, der so vollständig in sein Zubehör eingebettet war, stören zu müssen. An der Stirn des alten Mannes befanden sich Elektroden, die an sein Gehirn angeschlossen waren und ihm während der verschiedenen Schlafstufen eine ausreichende und alle Bereiche betreffende Wiederauffrischung garantierten, indem sie alle Erschöpfungsgifte aus seinem Verstand wuschen. Ein Ultraschall-Schröpfkopf filterte Ablagerungen und Fettrückstände aus Boardmans Adern. Hoch über seiner Brust hing ein verwirrendes Geflecht aus Leitungen und Schläuchen, die seinen Hormonspiegel kontrollierten. Die ganze Anlage war mit dem Schiffscomputer verbunden und wurde von dort auch gesteuert. In dem vollkommenen Regenerationssystem sah Boardman unwirklich und wächsern aus. Seine Atmung erfolgte langsam aber regelmäßig. Die weichen Lippen hingen schlaff herab. Die Wangen wirkten geschwollen und kraftlos. Die Augäpfel bewegten sich rasch unter den Lidern. Er träumte also im leichten Schlaf. Konnte er in diesem Augenblick unbedenklich geweckt werden?
    Rawlins wagte nicht, das zu riskieren. Auf alle Fälle nicht mit der direkten Methode. Er bewegte sich leise hinaus und aktivierte den Terminal am Eingang. „Gib Charles Boardman einen Traum ein“, ordnete er an. „Laß ihn wissen, daß wir Muller gefunden haben. Er soll unverzüglich aufwachen. Sag ihm: ‚Charles, Charles, wach auf, wir brauchen dich!’ Verstanden?“
    „Registriert“, gab das Schiffsgehirn zurück.
    Der Impuls floß von der Kuppel zum Schiff, wurde dort in eine dem Auftrag gemäße Form umgewandelt und dann in die Kuppel zurückgeschickt. Neds Befehl sickerte durch die Elektroden auf der Stirn in Boardmans Bewußtsein. Rawlins sagte sich, er habe seine Sache gut gemacht, betrat wieder Boardmans Schlaf räum und wartete dort.
    Der alte Mann rührte sich. Seine Hände wurden zu Klau en, die leicht an der Maschinerie kratzten, in deren Armen er lag.
    „Muller …“, murmelte er.
    Seine Augen öffneten sich, konnten einen Augenblick lang jedoch nichts erkennen. Aber der Weckprozeß hatte eingesetzt, und das Lebenssystem rüttelte Boardmans Metabolismus solange auf, bis er wieder einsatzfähig war. „Ned?“ krächzte er schließlich. „Was tun Sie denn hier? Ich habe gerade geträumt, daß …“
    „Es war kein richtiger Traum, Charles. Ich habe ihn Ihnen eingegeben. Wir sind bis in Zone A vorgestoßen. Und wir haben Muller gefunden.“
    Boardman entledigte sich der Anschlüsse zum Regenerationssystem und setzte sich auf, ganz wach und bei vollem Bewußtsein. „Wie spät ist es?“
    „Der Morgen graut gerade.“
    „Wie lange ist es her, seit Sie ihn gefunden haben?“
    „Vielleicht fünfzehn Minuten. Ich habe die Drohne auf ‚Passiv’ umgestellt und bin direkt zu Ihnen gekommen. Aber ich wollte Sie nicht wachrütteln, da …“
    „Ist schon in Ordnung. Alles okay.“ Boardman schwang sich bei den letzten Worten aus dem Bett. Als er aufstand, schwankte er ein wenig. Seine volle Tatkraft hatte er noch nicht wiedergewonnen, fiel Rawlins auf. Jetzt zeigte sich sein wahres Alter. Ned fand etwas, worauf er sich statt dessen konzentrieren konnte. Er studierte angestrengt die Regenerationsanlage, um nicht die Falten und Fettrollen an Boardmans Körper betrachten zu müssen.
    Wenn ich in seinem Alter bin, sagte sich Rawlins, werde ich für regelmäßige Schönheitsoperationen an meinem Körper sorgen. Das ist im Grunde keine Frage der Eitelkeit, sondern hat etwas mit Höflichkeit gegenüber seinen Mitmenschen zu tun. Wir müssen nicht alt und erschlafft aussehen, wenn wir das nicht wollen. Warum also Anlaß zum Anstoß geben?
    „Gehen wir“, sagte Boardman. „Aktivieren Sie die Drohne wieder. Ich will ihn auf der Stelle sehen.“
    Rawlins trat an den Terminal in der

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