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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Kuppel und schaltete den Roboter wieder ein. Auf dem Bildschirm erschien die Zone A des Labyrinths. Sie wirkte freundlicher als die äußeren Bezirke. Muller war nicht zu sehen. „Schalten Sie auf Tonempfang“, sagte Boardman.
    „Ist eingeschaltet.“
    „Wohin ist er verschwunden?“
    „Er muß den Sichtbereich verlassen haben“, erklärte Rawlins. Er ließ die Drohne sich um dreihundertsechzig Grad drehen. Die Robotaugen schwenkten an niedrigen, würfelförmigen Häusern, hochgewölbten Bögen und gestuften Mauern vorbei. Ein kleines, katzenartiges Tier lief davon. Doch von Muller war nichts zu sehen.
    „Er stand direkt dort drüben“, beharrte Ned unglücklich. „Er …“
    „Ist schon gut. Er brauchte ja nicht auf der Stelle stehenzubleiben, während Sie damit beschäftigt waren, mich zu wecken. Lassen Sie den Roboter weiterrollen.“
    Rawlins betätigte einige Knöpfe und ließ die Drohne langsam über die Straße rollen. Instinktiv tat er das mit großer Vorsicht, weil er jeden Moment mit einer neuen Falle rechnete.
    Auf der anderen Seite sagte er sich mehrere Male, daß die Erbauer des Labyrinths sicher nicht ihre eigenen Wohnbezirke mit trügerischen Hinterhalten bestückt hatten. Plötzlich trat Muller aus einem fensterlosen Gebäude und stellte sich direkt vor die Drohne.
    „Da bist du ja wieder“, sagte er. „Wieder zum Leben erwacht, was? Warum sprichst du nicht? Von welchem Schiff kommst du? Und wer hat dich geschickt?“
    „Sollen wir antworten?“ fragte Rawlins.
    „Nein.“
    Boardmans Gesicht war fest gegen den Bildschirm gepreßt.
    Er schob Rawlins’ Finger von den Kontrollen und arbeitete selbst solange an der Feineinstellung, bis Muller scharf und deutlich zu erkennen war. Boardman ließ den Roboter sich weiterbewegen, hielt ihn ständig vor Muller in Bewegung, um die Aufmerksamkeit des Mannes nicht erlahmen zu lassen und ihn davon abzuhalten, wieder zu verschwinden.
    Mit leiser Stimme sagte Boardman schließlich: „Es ist erschreckend. Wie sein Gesicht aussieht …“
    „Mir kam es ziemlich normal vor.“
    „Was wissen Sie denn schon? Ich erinnere mich an den Mann. Ned, das ist das Gesicht eines Mannes, der die Hölle durchgemacht hat. Seine Wangenknochen zeichnen sich doppelt so scharf ab wie damals. Und seine Augen sind furchtbar. Sehen Sie, wie sein Mund ein wenig nach unten hängt, dort, der linke Mundwinkel? Vielleicht hat er einen leichten Schlaganfall gehabt. Aber ich muß zugeben, er hat sich insgesamt recht gut gehalten.“
    Verdutzt suchte Ned nach Anzeichen von Mullers Leiden. Vorhin war ihm nichts aufgefallen, und jetzt erging es ihm genauso. Aber natürlich hatte er keine deutliche Erinnerung daran, wie Muller einmal ausgesehen hatte. Und andererseits war Boardman selbstverständlich viel geeigneter dazu, die Veränderungen an und in ihm zu erkennen.
    „Es wird nicht einfach werden, ihn dort herauszulocken“, sagte der alte Mann. „Er wird dortbleiben wollen. Aber wir brauchen ihn, Ned. Wir sind auf ihn angewiesen.“
    Muller hielt mit dem Sondierungsroboter Schritt und sagte plötzlich mit tiefer, unfreundlicher Stimme: „Du hast dreißig Sekunden, mir zu erzählen, was du hier willst. Danach drehst du dich besser wieder um und rollst dorthin zurück, wo du hergekommen bist.“
    „Wollen Sie nicht endlich mit ihm reden?“ fragte Ned. „Er wird die Drohne zerstören!“
    „Soll er nur“, sagte Boardman. „Der erste, der mit ihm spricht, wird ein Wesen aus Fleisch und Blut sein. Und wird ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Das ist die einzige Methode, die Aussicht auf Erfolg hat. Uns bleibt nichts anderes übrig, als ihm persönlich Honig um den Bart zu schmieren, Ned. Dazu sind die Lautsprecher einer Drohne kaum geeignet.“
    „Noch zehn Sekunden“, sagte Muller.
    Er griff in seine Tasche und zog eine glänzende, schwarze Metallkugel heraus, an deren einer Seite sich ein kleines Fenster befand. Die Kugel besaß etwa die Größe eines Apfels. Rawlins hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen. Vielleicht handelte es sich um eine Waffe der Außerirdischen, die Muller in der Stadt gefunden hatte. Muller hob rasch die Kugel und zielte mit dem Fenster auf den Kopf des Sondierungsroboters.
    Der Bildschirm wurde dunkel.
    „Sieht so aus, als hätten wir eine weitere Drohne verloren“, sagte Rawlins.
    Boardman nickte. „Ja, und dies war die letzte Drohne, die wir verloren haben. Ab jetzt werden wir Menschen verlieren.“
     
     
2
     
    Der Zeitpunkt

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