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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Wahrnehmungsvermögen erheblich zu beeinträchtigen – die schlimmste aller Sünden. Die Schwachstellen seines Auftrags wurden ihm nun deutlich. Sie kamen nur in winzigkleinen Schritten voran, ständig gab es kleine, aber schmerzliche Komplikationen, ein nervenzermürbender Wechsel von Erfolgen und Rückschlägen, und jetzt auch noch Rawlins im Käfig. Überhaupt Rawlins und seine unablässigen Gewissensbisse. Dann Muller mit seiner neurotischen Weltsicht. Die kleinen Ungeheuer, die einem die Ferse anknabberten, während sie einem gleichzeitig auf die Gurgel starrten. Die Fallen, die diese Teufel installiert hatten. Und schließlich die Extragalaktiker mit ihren riesigen Augen und der Fähigkeit, Radiowellen sensorisch wahrzunehmen, die irgendwo in Lauerstellung standen und für die selbst ein Charles Boardman nicht mehr als verstandloses Gemüse war. Wo man auch hinsah, überall kleinere oder größere Katastrophen. Irritiert drückte Boardman seine Zigarre aus. Verwundert starrte er sofort danach auf das große Stück, das er verschwendet hatte. Die Zündkapsel würde nicht ein zweites Mal funktionieren. Boardman beugte sich vor, hielt die erloschene Zigarre an den Infrarotstrahler seiner Heizung und zündete sie erneut an. Er zog und blies heftig, bis sie richtig brannte. Mit einer gereizten Handbewegung aktivierte er die Funkverbindung mit Ned Rawlins wieder.
    Der Bildschirm zeigte ihm Mondlicht, gebogene Gitterstäbe und kleine, fellbewachsene Schnauzen, die vor Zähnen strotzten.
    „Ned?“ rief er. „Hier spricht Charles. Wir schicken Ihnen die Drohnen, mein Junge. In fünf Minuten haben wir Sie aus diesem verdammten Käfig befreit. Hören Sie mich, in fünf Minuten!“
     
     
2
     
    Rawlins war ziemlich beschäftigt.
    Es war irgendwie aberwitzig. Der Strom der kleinen Raubtiere schien kein Ende nehmen zu wollen. Schnüffelnd schoben sie erst ihre Schnauzen und dann den ganzen Körper durch das Gitter, immer zwei oder drei gleichzeitig – Wiesel, Frettchen, Nerze, Hermeline, was immer sie auch sein mochten. Sie schienen nur aus Zähnen und Augen zu bestehen. Aber es waren Aasfresser, keine wirklichen Raubtiere. Gott allein mochte wissen, was sie am Käfig anziehen mochte. Sie umzingelten ihn, kamen immer näher, strichen mit ihrem weichen Fell seine Knöchel, betasteten ihn mit ihren Pfoten, schlitzten mit ihren Krallen seine Haut auf und bissen ihn ins Schienbein.
    Er trat nach ihnen. Er begriff schnell, daß ein einziger Stiefeltritt genügte, um ihnen das Rückgrat direkt hinter dem Kopf zu brechen. Eine rasche und effektive Methode. Danach konnte er das Opfer mit einem raschen Tritt in eine Ecke seines Käfigs befördern, wo die anderen dann sofort über den Kadaver herfielen. Kannibalen waren sie also auch. Rawlins entwickelte eine rhythmische Arbeitsweise. Drehen, Treten, Wegtreten. Umdrehen, Treten, Wegtreten. Umdrehen, Treten, Wegtreten. Knirsch. Knirsch. Knirsch.
    Trotzdem richteten sie ihn übel zu.
    In den ersten fünf Minuten hatte er kaum einmal Gelegenheit, Atem zu schöpfen. Umdrehen, Treten, Wegtreten. Er konnte etwa zwanzig von ihnen in diesem Zeitraum ausschalten. An der gegenüberliegenden Seite des Käfigs erhob sich ein Hügel zerschmetterter kleiner Körper. Ihre Kameraden suchten zwischen den Opfern nach den besten Stücken. Und dann kam schließlich auch der Moment, wo alle im Käfig befindlichen Aasfresser entweder tot oder mit dem Verspeisen ihrer Artgenossen beschäftigt waren. Und auch vor dem Gitter schlich kein Tier mehr herum. Rawlins bekam eine kleine Ruhepause. Mit einer Hand hielt er sich an einer Strebe fest, während er das linke Bein hob, um sich das Ausmaß der Bisse und Kratzer anzusehen. Ob man posthum das galaktische Ehrenkreuz verliehen bekam, wenn man an fremdplanetarer Tollwut zugrundeging? fragte er sich. Vom Knie an abwärts war sein Bein aufgerissen. Die Wunden waren zwar nicht tief, brannten und schmerzten aber höllisch. Plötzlich entdeckte er, warum die Aasfresser so versessen darauf gewesen waren, zu ihm in den Käfig zu kommen. Als er nämlich tief durchatmete, roch er den süßlichen Gestank verwesenden Fleisches. Er konnte sich die Ursache vor seinem geistigen Auge gut vorstellen: der Kadaver eines riesigen Tieres, dessen Unterleib aufgerissen war, aus dem die rotverklebten Organe quollen. Dicke, schwarze Fliegen bedeckten es wie ein Teppich. Die ersten Maden krochen bereits durch das Fleisch …
    Aber hier drinnen gab es keinen faulenden Körper. Die

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