Der Mann im Park: Roman (German Edition)
lugten ein Paar Sportschuhe und eine kurze Hose hervor.
Plötzlich war aus dem Erdgeschoss ein Knall zu hören. Schiller zuckte zusammen und blieb wie erstarrt stehen. Jemand hatte soeben das große Werftgebäude betreten. Leichte Schritte waren von unten zu hören.
Harry Schiller spürte die Panik in sich aufsteigen. Ihn beherrschte nur noch ein einziger Gedanke: Er musste sich verstecken.
Schiller schaute sich um. An einer Wand stand ein Metallschrank, ein Stück von ihr abgerückt. Er schätzte, dass dahinter genug Platz für ihn war.
Ein Mann kam die Treppe herauf. Im Dunkeln war sein Gesicht nicht zu erkennen, aber er trug ein Jackett und einen Hut. Außerdem hatte er anscheinend Handschuhe an.
Der Mann ging zu dem Mädchen, er bewegte sich langsam und ließ seinen Blick über den Boden schweifen, als suchte er nach etwas. Er trat an die Badewanne, sah die Tasche und hob sie heraus.
Harry Schiller konnte den Atem nicht länger anhalten. Vorsichtig ließ er die Luft durch die Mundwinkel heraus. Dann atmete er wieder ein und hoffte, dass es nicht zu hören war. Das hätte noch gefehlt.
Der Mann schaute noch einmal in die Runde. Dann drehte er sich um und ging fast lautlos die Treppe hinunter.
Harry Schiller wartete lange Zeit hinter dem Regal, bevor er sich hervorwagte. Wie lange, das konnte er nicht sagen. Vielleicht waren es zehn Minuten, vielleicht eine halbe Stunde.
Schließlich lief er aus dem Gebäude hinaus. Verließ das Gelände auf demselben Weg, den er gekommen war, und bald stand er wieder auf der Nordenskiöldsgatan. Seine Hände zitterten, er fror am ganzen Körper. Dann rannte er los.
Kurz vor Skansen fand Harry Schiller eine Telefonzelle. Stotternd bat er darum, mit der Polizei verbunden zu werden. Eine souverän klingende Stimme meldete sich.
»Polizei.«
»Sie müssen kommen«, begann Harry. »Es ist etwas passiert …«
Plötzlich spürte er Übelkeit in sich aufsteigen.
»Hallo, mit wem spreche ich?«
Harry holte tief Luft.
»Das ist doch egal. Auf der Djurgårdswerft liegt ein Mädchen. Ich glaube, sie ist tot. Jemand muss sie umgebracht haben.«
»Ein Mädchen auf der Djurgårdswerft – wo dort?«
»Im Obergeschoss … In der größten Halle … Da ist einer gekommen …«
»Wer ist gekommen?«
Harry Schiller schluckte. Es ging ihm gar nicht gut.
»Wo sind Sie?«, fragte die Stimme am anderen Ende. »Bleiben Sie, wo Sie sind, wir kommen. Dann können Sie uns zeigen, wo das Mädchen sich befindet. Wo sind Sie?«
»Bleiben … ich werde versuchen hierzubleiben. Werde versuchen, noch mal hinzugehen …«
Jetzt spürte er, wie er es nicht länger unterdrücken konnte. Er legte den Hörer auf und sprang aus der Zelle. Direkt vor dem Eingang zu dem großen Tierpark erbrach er sich.
1953
3
John Stierna versuchte sich zu konzentrieren, um das Fünkchen Inspiration nicht verlöschen zu lassen, doch das war nicht so einfach. Für einen Polizeibeamten konnte er gut schreiben, und immer war er derjenige, der die Texte für die Schaukästen des Kriminalmuseums verfasste.
Der Schreibtisch war staubig geworden, es schien, als würden die Putzfrauen nicht bis zum Dachgeschoss in dem riesigen neuen Polizeigebäude in der Bergsgatan finden. Was eigentlich auch kein Wunder war, das Museum lag wirklich versteckt.
Stierna saß hinter seiner Schreibmaschine. Er feilte an den Formulierungen, doch die Arbeit ging ihm nicht so recht von der Hand.
Der Text handelte vom Sabbatsaboteur. Er hatte damals nichts mit den Ermittlungen zu tun gehabt, dennoch konnte er sich noch sehr genau an die Silvesternacht 1947 erinnern. In der Nacht wurde ein Achtzehnjähriger am Tatort festgenommen, nachdem in Observatorielunden eine Sprengladung explodiert war und zwei weitere bei der Stadtbibliothek. Das war das Ende einer Terrorwelle gewesen.
Eine gewaltige Dynamitladung war anderthalb Monate zuvor auf dem Stockholmer Hauptbahnhof hochgegangen, eine andere beim Polizeirevier Klara. Insgesamt hatte es sich um neun Explosionen gehandelt.
Auf dem Schreibtisch lagen einige Gegenstände verstreut. Neun Dynamitstangen, fünfundachtzig Zündhütchen, gut sieben Meter Lunte und die Zange, die der Sabbatsaboteur bei sich gehabt hatte, als er festgenommen wurde. Und es gab ein Foto des damals Achtzehnjährigen, der heute kurz vor seinem vierundzwanzigsten Geburtstag stand, und seiner beiden Komplizen. Alle mit einem schwarzen Balken vor dem Gesicht. Damit die Anonymität gewahrt blieb.
Der Attentäter war nicht
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