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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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singt durchaus gut, aber auch irgendwie unbeteiligt. Es entsteht keine Spannung, kein zwingender Grund, ihm zuzuhören. Kein überspringender Funke.
    Eine Weile hören wir schweigend zu, dann spricht Klaus aus, was ich denke: »Das ist ja alles sehr schön, aber haut dich das vom Hocker? Kriegst du davon weiche Knie?«. Und Buddy: »Hier müßte mal einer ordentlich abjazzen, so richtig mit Herz und Bauch.« Und nach einer Pause an mich gewandt: »Hier müßtest du einsteigen, ein bißchen Wind machen!«
    Ich schwärme: »Ja, das wäre herrlich! Aber hier kann ich doch nicht einsteigen! Hier kennt mich doch keiner! Da könnte ja jeder kommen …«
    Doch Buddy läßt diese Einwände nicht gelten. »Ich mach das schon.« Ehe ich noch etwas sagen kann, kämpft er sich durch die Menge Richtung Podium. Dort wartet er die nächste Musikpause ab und spricht Freddie Brocksieper an seinem Schlagzeug an. Ich
sehe nicht sofort Kopfschütteln. Buddy zeigt auf mich. Freddie folgt mühsam der Richtung seiner Geste. Sie reden weiter. Buddy nickt. Freddie nickt. Ich kann kaum erwarten zu hören, was besprochen wurde.
    Die Band setzt wieder ein. Buddy bahnt sich seinen Weg zurück. Über das ganze Gesicht strahlend verkündet er schließlich: »Du sollst erst mal die nächste Pausenmusik spielen. Dann sieht man weiter.«
    Er ist vollkommen sicher, daß meine Pausenmusik Freddie Brocksieper überzeugen wird. Ich weiß im Grunde auch, daß ich es kann. Am Klavier verfliegt mein Gefühl der Unzulänglichkeit meist schnell. Trotzdem bin ich nervös, als ich mich gemeinsam mit Buddy und Klaus durch die Menge kämpfe.
    Die Band spielt »How High The Moon«. Wir sind in Sichtweite. Buddy nickt Freddie Brocksieper zu, zeigt auf mich. Brocksieper nickt kurz zurück. Die letzten Takte. Mein Herz klopft bis zum Hals. Schlußakkord.
    Die Musiker erheben sich, verlassen das Podium. Brocksieper weist, an mich gewandt, mit einladender Geste auf das Klavier, entfernt sich Richtung Bar. Buddy schubst mich sanft, ich gehe, setze mich. Leichte Irritation im Publikum. »Wer ist denn das?«
    Ich höre es wie aus weiter Ferne.
    Kurz durchatmen. Berühre die Tasten, fühle mich sofort sicher, lausche. Ein herrlicher Flügel, wunderbar gestimmt. Die Töne sind meine Freunde. Ich erwecke sie zum Leben, forme sie, lasse sie tanzen, verbinde sie zu Harmonien, löse sie wieder auf, gestalte etwas Neues. Heute geht es mir leicht von der Hand. Die teilnahmslose Nähe der Menschen inspiriert mich, macht mich sensibel.
    Man horcht schon auf. Ein kurzer Blick zu Brocksieper, der scheinbar desinteressiert an der Bar steht. Doch ich spüre die aufmerksame Spannung auch in seinem Rücken. Nach einer besonders geglückten Passage mit einer etwas extremen Harmonienfolge blickt er erstaunt in meine Richtung. Klaus und Buddy strahlen mich an. Noch ein paar Takte. Brocksieper dreht sich um und nickt. »Okay!«
    »C Jam Blues«, kündigt Brocksieper kurz an, nachdem er und seine Musiker wieder auf dem Podium platzgenommen haben.
Herrlich! Ein zwölftaktiger Blues mit einem simplen Thema, über das jeder einzelne Musiker improvisiert. Hier kann man sich warmspielen, zeigen, was man draufhat. An mich gewandt: »Spiel vier Takte Einleitung«. Freiheit! Hochkonzentriert in kraftvollen, ungewöhnlichen Harmonien zum Thema. Die Band greift mein Spiel auf, unterstützt es, spiegelt meine Interpretation. Spiele den ersten Chorus in der üblichen Art der Singlenoten. »Denen allen hier zeig’ ich’s!« Brocksieper ermuntert mich weiterzumachen, feuert mich an. Ich gehe zu aggressiven Akkorden und Blockharmonien über. Bin ganz in meinem Element. Schwitze. Daß die Tolle sich wieder mal auflöst, spielt keine Rolle mehr. Der Funke springt über. Grenzen verwischen. Die Atmosphäre im Lokal ändert sich mit einemmal. Keine Fremdheit mehr, keine Sprachlosigkeit. Alles hört zu, swingt mit. Alles drängt sich um mein Klavier. Man atmet in meinen Tönen. Ich lebe! Ich spiele!
    Riesenapplaus. Brocksieper weist auf mich, fragt Buddy, wie ich heiße, stellt mich vor. Ich verneige mich, will gehen.
    »Komm, bleib, spiel noch einen«, fordert Brocksieper mich auf. »Sag, was du spielen willst.« Ich lasse mich nicht lange bitten. Meine Wahl: »›All Of Me‹. B-Dur.« Die Nummer habe ich perfekt für mich arrangiert. Ein absoluter Abräumer.
    »All of me, why not take all of me« singe ich und stoße den Rhythmus im Shuffle-Beat, den Freddie Brocksieper und die anderen sofort übernehmen,

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