Der Mann mit dem Fagott
gratuliert mir. Ein großer, athletischer, ungewöhnlich gutaussehender junger Mann, der gerade dabei ist, sich eine Karriere bei »British Petrol« aufzubauen.
Daß er gekommen ist, macht mich ganz besonders stolz, aber auch besonders nervös. Vor allem um seinen Respekt habe ich schon von frühester Kindheit an hart gekämpft. Rivalität unter
Brüdern, wie sie heftiger kaum sein konnte. Totales, gegenseitiges Unverständnis. Körperlich war ich ihm immer vollkommen unterlegen, habe unter seinen Hänseleien, seiner Stärke gelitten, wie er wohl auch unter der Aufmerksamkeit, die man mir plötzlich schenkte, sobald ich mich an ein Klavier gesetzt habe. Als wir noch kleiner waren, hat er mich immer spüren lassen, daß er diese Kraft, die einzige, die ich hatte, nicht so ganz ernst nahm.
Daß er nun gekommen ist, um mich spielen zu hören, ist eine ganz besondere Auszeichnung für mich. Aber auch eine Herausforderung.
»Schön, daß ihr da seid! Fühlt ihr euch wohl?« beginne ich die Unterhaltung etwas steif.
»Ja, ja, natürlich! Kümmere dich gar nicht um uns«, beteuert meine Mutter sofort und protestiert, als ich Sekt bestelle.
»Geht auf Kosten des Hauses«, flunkere ich und dulde keinen Widerspruch. »Außerdem lädt das Geburtstagskind ein.« Und immerhin hat der Chef mir heute Hauspreise gewährt.
Buddy hat für einen Block übernommen. Ich lasse mir schnell die wichtigsten Neuigkeiten aus Ottmanach, meiner Kärntner Heimat, erzählen. Man wird das Schloß, das mein Großvater Heinrich Bockelmann meinen Eltern zur Hochzeit geschenkt hat, wahrscheinlich nicht halten können. Die Bewirtschaftung und der Erhalt verschlingen einfach viel mehr, als es abwirft. Ich sehe die Traurigkeit im Blick meines Vaters, als davon gesprochen wird, fühle auch selbst einen dicken Kloß im Magen beim Gedanken, das Schloß, meine Heimat, den wunderschönen Ort meiner Kindheit zu verlieren, doch die Beklemmung wird überspielt. Meine Eltern wollen nicht darüber reden:
»Heute ist dein Geburtstag! Die Volljährigkeit ist etwas ganz besonderes, da sollten wir keine Probleme wälzen, sondern feiern!«
Ich bin sofort ihrer Meinung. Es ist nicht der Augenblick für ein längeres, ernstes Gespräch. Ich muß auch gleich wieder auf die Bühne.
»Hier ist Mampis Geschenk für dich!«
Mein kleiner Bruder Manfred, den wir alle »Mampi« nennen, da er als Kleinkind seinen eigenen Namen nicht anders aussprechen konnte, ist gerade zwölf Jahre alt. Mein Vater holt aus seiner Aktentasche ein lose eingewickeltes, gerahmtes Bild hervor. »Der
Junge hat es voriges Jahr nach unserer kurzen Venedig-Reise gemalt. Es ist das erste Bild von ihm, das wir gerahmt haben. Und Mampi möchte es dir schenken.«
Ich wickle das Bild aus dem Papier und bin sprachlos: eine wunderbare Szene aus Venedig - nichts Kindliches, strahlende, nicht aufdringliche Farben, ein intelligent gewähltes Motiv.
»Wie kann ein Kind ein so reifes Bild malen? Wenn der nicht Maler wird, verstehe ich nichts mehr«, sage ich, als ich mich wieder gefaßt habe. Der kleine, stille, liebe Kerl fehlt mir plötzlich sehr.
»Und unser Geschenk für dich«, fährt mein Vater mit seinem leicht baltisch anmutenden Akzent, den ich so gern höre, fort, »möchten wir dir morgen mittag beim Essen geben. Nicht hier zwischen Tür und Angel. Denn ich hab dir auch ein paar Worte dazu zu sagen.«
Ich rätsle, worum mein Vater solch ein Geheimnis machen könnte, habe aber keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Patsy hat soeben das »Esplanade« betreten. Ein kleines, bunt eingewickeltes Päckchen in der Hand, stutzt sie erst, als sie mich nicht auf der Bühne findet, sieht sich dann um, mir gerade in die Augen, strahlt, kommt schnurstracks auf mich zu, meine flehenden Blicke, »Bitte nicht jetzt! Später!« nicht erkennend.
»Alles, alles Liebe zum Geburtstag und daß deine Wünsche in Erfüllung gehen!« lacht sie mich an, überreicht mir das Päckchen, das ich ratlos ablege, und umarmt mich.
»Bitte jetzt nicht, später«, flüstere ich ihr zu und laut: »Das ist aber lieb von dir! Vielen Dank!«
Immer noch sieht sie mich fragend an.
»Mutter, Vater, John, darf ich euch Patsy vorstellen, eine Freundin von mir. Sie studiert hier in Salzburg. Patsy, das sind meine Eltern, Käthe und Rudolf Bockelmann, und das ist mein älterer Bruder John, auch Joe genannt«, stelle ich Patsy meiner Familie vor. Patsy stutzt, begreift endlich, reicht meinen Eltern höflich-zurückhaltend die
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