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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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Förner und dreht sich gemütlich auf seinem Strohsack auf die Seite.
    Rudi sieht ihn ungläubig an.
    »Bleib ruhig!« brummt Förner faul aus seiner Pritsche hervor. »Wenn’s uns trifft, ist es eben vorbei. Wer weiß schon, was uns dann erspart bleibt. Wir Politischen sind sowieso immer mit einem Bein im Grab, mit oder ohne Fliegeralarm. Und bisher ist es noch immer gutgegangen.«
    Drei Schritte hin, drei Schritte zurück. Man hört das sich nähernde Dröhnen der Motoren, das die Sirenen bereits übertönt. So nah und laut hat Rudi sie noch nie wahrgenommen. Die Maschinen müssen tiefer als sonst auf Klagenfurt zurasen. Rudi hält inne, versenkt sich in das Bild des kleinen Bauernhauses an der Wand. In Rudis Phantasie ist es plötzlich kein Bauernhaus mehr, sondern das Schloß. Es ist Ottmanach. Es ist ein Ort der Geborgenheit, der Sicherheit. Er lehnt sich an die Wand, betrachtet das Bild.
    Das Brummen der Maschinen geht in ein ohrenbetäubendes Dröhnen über, am ehesten vergleichbar einem vorbeirasenden Expreßzug.
    Detonationen ganz in der Nähe. Rudi spürt deutlich die Erschütterungen des Bodens. Er hört das Klirren von Fensterscheiben, das Einstürzen von Gebäuden ganz in der Nähe. Manche der Detonationen sind so nah, daß er glaubt, das Gefängnisgebäude sei getroffen worden, und gleich werde alles über ihm zusammenbrechen. Was für ein Tod, hier in dieser dreckigen Zelle, umgeben von Fremden, fern von seiner Familie, so kurz vor dem jahrelang herbeigesehnten Ende des Krieges … Was für eine unwürdige und sinnlose Art zu sterben.
    Lärm, Staub, Gestank, Angst beherrschen ihn und rauben ihm jegliches Zeitgefühl.
    Plötzlich ist der Spuk vorbei, die Detonationen und Erschütterungen
hören auf. Die Sirenen heulen Entwarnung. Eine Turmuhr schlägt drei, auf den Gängen hört man wieder Schritte. Seine Mitgefangenen rappeln sich langsam von ihren Pritschen auf, strecken sich noch einmal, rechtzeitig, bevor sich einer der Wärter am Guckloch zu schaffen macht.
    Rudi wacht aus seiner Erstarrung auf, findet zurück in die Wirklichkeit. Er ist am Leben.
    Bevor er durchatmen und begreifen kann, daß zumindest diese Gefahr überstanden ist, wenigstens für heute, öffnet sich plötzlich die Tür, und ein Wärter ruft: »Bockelmann - mitkommen!«
    Gemeinsam geht man schweigend den Gang entlang, und Rudi muß sich erst wieder daran gewöhnen, zu gehen. Er spürt erst jetzt, daß er in den wenigen Tagen schon viel von seiner Kraft verloren hat. Es bereitet ihm Mühe, mit dem Wärter mitzuhalten.
    »Vorwärts! Kommissar Brettschneider wartet nicht gern«, treibt dieser ihn an. Brettschneider also. Etwas beruhigt es ihn sogar. Rudi hat das Gefühl, nun wenigstens ein bißchen einschätzen zu können, was auf ihn zukommt.
    Man tritt auf die Straße. Kalte Luft umfängt ihn. Er friert, zieht seine Jacke fester um sich und genießt es, endlich frische Luft atmen zu dürfen. Zum ersten Mal seit Tagen Luft, die nach Freiheit riecht, nach Winter, nach dem Lebensmittelgeschäft in der Nähe, aber auch nach dem beißenden Brand- und Metallgeruch der Bomben.
    Ich sollte versuchen, diesen Kommissar diesmal gleich von Anfang an etwas milder zu stimmen, beschließt Rudi. Ich werde einfach mit ›Heil Hitler‹ grüßen. Ja, das ist bestimmt das beste …
    Er betritt das Verhörzimmer. »Heil Hitler!«
    »Sind Sie verrückt geworden?« poltert Brettschneider sogleich los. »Der deutsche Gruß ist Häftlingen strengstens untersagt. Hat man Ihnen das etwa nicht mitgeteilt?«
    »Nein«, antwortet Rudi etwas mutlos.
    Mit einer Geste weist Brettschneider Rudi den schon bekannten Stuhl zu.
    »Der Herr › Bürgermeister ‹… Vielleicht kommen wir ja heute weiter. Wie wär’s denn diesmal zur Abwechslung mit der Wahrheit? - Sie haben ja sowieso nichts mehr zu verlieren.«
    Rudi sieht ihn so fest wie möglich an. »Ich habe auch beim letzten Mal bereits die Wahrheit gesagt.«

    Er merkt selbst, wie brüchig seine Stimme klingt.
    Brettschneider antwortet nicht. Er richtet die altbekannte Lampe auf ihn, die jede Nuance von Rudis Mimik gnadenlos ans Licht zerrt, sein Gegenüber aber beinahe völlig in der Dunkelheit verschwinden läßt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl von Einsamkeit, das Rudi beschleicht, als er in diesem grellen Licht sitzt, während Brettschneider nur noch als Schatten und als Stimme präsent ist.
    Der Kommissar reicht Rudi einen Brief. »Nur eine Formsache: Ihr Parteiausschluß. Unter den gegebenen Umständen

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