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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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nichts ändern könnten. Wenn es zu Ende gehen soll, jetzt, hier, in diesem Gefängnis, dann geht es eben zu Ende.
    Die ersten Detonationen. Und wieder das berstende Krachen einstürzender Gebäude. Zitternde Wände. Putz, der aus einem Spalt in der Zellenwand rieselt. Immer noch mehr Flugzeuge, die sich nähern. Rudis Hände sind ruhig, als er Erwins Brief entfaltet.
    »Mein lieber Bruder«, liest er, während ganz in der Nähe eine Bombe niedergeht. Um ihn herum Explosionen, die die Stadt in Trümmer zu legen scheinen, und er liest die Zeilen, die geschrieben wurden ohne Ahnung, in welcher Situation sie ihn erreichen würden. Es sind ratlose Zeilen, die ihn bitten, sich mit Heinrichs Witwe Grete in Verbindung zu setzen und ihr nach Möglichkeit zu helfen. Und dann der Satz, an dem er sich festhält, während ein Knall ganz in der Nähe sie alle auffahren läßt. »Käthe und Deinen Buben geht es gut. Sie vermissen Dich alle sehr. Wir alle können das Wiedersehen kaum erwarten - hoffentlich in friedlicheren Zeiten. Gott schütze Dich, Dein Bruder Erwin.«
    Ein trockener, mächtiger Schlag ganz in der Nähe. Ein rollendes Geräusch wie von einem Faß auf dem Asphalt im Gefängnishof. Rudi erwartet die Explosion. Die Bombe muß so nah sein, wie noch keine zuvor. Eine Sekunde vergeht. Dann noch eine und noch eine. Nichts geschieht. Wie lange braucht so ein Geschoß, um zu explodieren? Auch die anderen sind hellhörig geworden, erheben sich.

    »My God, es hat uns getroffen!« schreit Prester, aber nichts geschieht.
    »Ein Blindgänger«, vermutet Förner und beschließt, daß einer von ihnen nachsieht. Wenn zwei Männer mit dem Rücken zur Wand eine Räuberleiter bilden und die anderen ihm helfen, kann Rudi vielleicht auf die Schultern der beiden anderen klettern, sich zum Fenster hochziehen, das Verdunkelungspapier abziehen und in den Hof schauen.
    Prester und Förner verschränken ihre Hände, Rudi zieht sich an ihnen hoch.
    »Gut, daß die ›Verpflegung‹ hier so schlecht ist; immerhin bin ich dadurch leichter geworden«, versucht Rudi es mit Galgenhumor. Er hat in der kurzen Zeit tatsächlich schon merklich abgenommen. Seine Kleidung schlottert an seinem Körper.
    Während ganz in der Nähe weitere Bomben niedergehen, erreicht er schließlich die Gitterstäbe, zieht das Papier weg und sieht tatsächlich eine riesige Bombe auf dem Hof liegen. Matt glänzend, mit vier nach oben ragenden Stabilisierungsflügeln und jederzeit bereit, sie doch noch alle in den Tod zu reißen.
    »Es ist wirklich ein Blindgänger!« Rudi klettert wieder auf den Boden. Die Flugzeuge entfernen sich, die Sirenen geben Entwarnung. Die Anspannung entlädt sich für Augenblicke.
    »Bis jetzt meint das Schicksal es anscheinend gut mit uns«, verkündet Förner. »Aber zwei oder drei von uns Politischen werden das Ding entschärfen müssen. Die Todeskandidaten.«
    »Aber die haben doch hoffentlich Ahnung von dem, was sie da tun?« Rudi erntet Erheiterung.
    »Ahnung«, höhnt der stille Dr. Wallner, ein junger Arzt und Familienvater, der im Hause eines befreundeten Bauern einen deutschen Deserteur mit erfrorenen Beinen behandelt hatte. Dieser war gefaßt worden und hatte im Verhör verraten, wer ihn behandelt hatte. Wallner war sofort abgeholt worden und erwartete seither täglich, gehenkt zu werden. Manchmal war er erstaunlich ruhig, meistens aber fahrig und nervös. Manchmal wurde er geholt, um Gefangene zu behandeln, und er hoffte, dadurch dem Strang so lange wie möglich zu entgehen. Im Augenblick war er zynisch wie selten. ›Ahnung‹, das kommt ganz darauf an, was du Ahnung nennst. Man bekommt eine ›Ausbildung‹, die dauert eine halbe
Stunde, dann muß man mit zweien mitgehen, die’s schon mal gemacht haben und beim nächsten Mal muß man selber ran.«
    »Ein Fehler, und wir fliegen doch noch alle in die Luft«, sagt Förner so kalt, als würde er von irgendeinem kleinen, unbedeutenden möglichen Unfall sprechen, und Rudi fragt sich, wie oft die Würfel des Schicksals noch zu ihren Gunsten fallen werden.
    Die Flure beleben sich. Namen werden aufgerufen.
    »Wie ich gesagt habe: Sie stellen das Räumungskommando zusammen«, sieht Förner sich bestätigt. Rudi erwartet jeden Moment, seinen Namen zu hören. Drei sind schon aufgerufen. Fremde. Rudi bereitet sich in Gedanken darauf vor zu gehen. Er ist sich ganz sicher, daß der Wärter gleich »Bockelmann« schreien wird.
    Tatsächlich öffnet sich die Zellentür.
    Sieben Mann zucken

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