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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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übernehmen zu können, hat er sich gedacht, es könnte nicht schaden, wenn er mich für ein paar Jahre auf eine Farm in Afrika schickt.« Er räuspert sich, und ich sehe, daß er in Gedanken ganz weit weg reist, und er beginnt, mir von der unendlichen Weite des Landes dort zu erzählen, von den ganz anderen Farben der Sonne und der Landschaft, von der Arbeit auf den Feldern, die er dort geleistet hat und von der Großwildjagd, zu der der Farmbesitzer ihn schließlich mitgenommen hat.
    Ein alter Löwe, ein Einzelgänger, hat großen Schaden bei den Rinderherden der Farmen angerichtet und war inzwischen auch für die Menschen sehr gefährlich geworden. »Nach stundenlangem Warten haben wir ihn endlich aufgespürt. Der Löwe hat uns überhaupt nicht gesehen. Ich war noch nie in meinem Leben so aufgeregt gewesen wie in diesem Moment. Ich hab geschossen - und getroffen.«
    Onkel Gert strahlt über das ganze Gesicht. »Und von dieser Minute an hab ich nicht mehr gestottert!« Er steht auf.
    »Hast du Angst gehabt?« frage ich ihn.
    Er schüttelt den Kopf. »Vorher schon, aber als es dann so weit war, nicht mehr.«
    Ich gebe mir einen Ruck. Jetzt will ich es endlich wissen. »Und hat man auch Angst, wenn man plötzlich einem Neger begegnet?«
    Onkel Gert lacht, wird dann ganz ernst und setzt sich wieder.
    »Wie kommst du denn darauf ?« fragt er mich statt einer Antwort.
    »Na, in Afrika gibt es doch Neger, und das sind doch Untermenschen,
und die essen andere Menschen und all so was …«, erkläre ich schnell. »Das steht in meinem Rassenkundebuch«, füge ich noch hinzu.
    Onkel Gert lächelt. »Hör mal zu, mein Junge. Ich habe lange in Afrika gelebt, und ich hab andauernd mit Schwarzen zusammengearbeitet, und ich hab nie erlebt, daß sie einen Menschen gegessen haben oder so was. Natürlich gibt es noch wilde kriegerische Stämme, die auf die Weißen nicht besonders gut zu sprechen sind, aber wenn du ein bißchen größer bist, wirst du das auch verstehen.« Er hält inne. »Weißt du, im Grunde ist es bei den Schwarzen genauso wie bei den weißen Menschen: Es gibt gute und böse, wie bei uns auch.« Und dann sagt er noch: »Du darfst nicht alles glauben, was in Büchern steht.« Er tätschelt meine Wange und geht weg, und ich fühle mich ganz durcheinander, weil in Büchern doch die ganz großen Wahrheiten über das Leben stehen und weil ich plötzlich überhaupt nicht mehr weiß, was ich glauben soll, wenn ich nicht glauben darf, was in Büchern steht.
    Ich setze mich ans Klavier und versuche nachzuspielen, wie ich mir das Brüllen eines Löwen vorstelle und wie es klingen muß, wenn plötzlich ein Schuß fällt und der Löwe zusammensinkt, aber ich stelle fest, daß Gewehrschüsse und Löwengebrüll und all so was ganz schwer zu spielen sind; viel schwerer als Bomberverbände. Vielleicht muß ich dazu das Klavier erst noch besser kennenlernen. Ich klappe den Deckel zu, genieße es, für ein paar Minuten ganz allein im Salon zu sein, streichle noch einmal das Bein des Einzelgänger-Löwen, weil ich seine Kraft ganz gut gebrauchen kann und beiße in einen meiner Kekse, die ich vorhin bei der Teetafel haben »mitgehn lassen«.
    Mein kleiner Bruder Manfred kommt mit einem Keks in der Hand auf mich zugelaufen.
    »Makeks gut«, sagt er und streckt ihn mir entgegen. Er hat die Angewohnheit, fast alle Worte mit »Ma« zu beginnen: »Ma« wie Mami, aber auch wie Manfred - oder »Mampi«, wie er sich selbst nennt. »Ma« scheint für ihn die wunderbarste Silbe der Welt zu sein: »Matoffel«, »Maschiebkarre«, »Makkordeon«…
    Im Wald herrscht wieder ein Feuergefecht, aber das kennen wir ja schon.
    »Viele Mawehre bum, bum!« sagt Manfred und strahlt.

Zum Volkssturm
    »Lieber Papi, leider wissen wir immer noch nicht, wo Du bist und ob es Dir gutgeht. Ich wünsche es mir so sehr. Und ich wünsche mir, daß wir alle bald wieder in Ottmanach sein können, denn ich vermisse es so sehr …« Das laute Klingeln an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken und dem Brief, den ich an meinen Vater zu schreiben versuche.
    Draußen steht Karsten, ein Junge aus unserer Schule in einem merkwürdigen Gemisch aus Teilen einer HJ- und Teilen einer Militäruniform und ein paar Zivilsachen. Über ein braunes Hemd hat er eine Soldatenjacke gezogen, die kurze Hose ist aber eine Lederhose wie meine eigene, und die Füße stecken in Soldatenstiefeln. Auf dem Kopf hat er einen Stahlhelm, und er trägt ein Gewehr über der Schulter. Er ist

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