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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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immer noch vertraut. Ein Gefühl von Heimat, das mich mit innerer Ruhe erfüllt, wie ich sie seit Monaten nicht mehr gekannt habe.
    Mein Leben ist in den eineinhalb Jahren seit meinem Grand-Prix-Gewinn von einer Hektik erfüllt, die mich kaum Atem holen läßt. Ich liebe es, unterwegs zu sein, meinen Liedern überallhin zu folgen. Wohin auch immer ich auf der Welt gefahren bin, ob nach Japan, Frankreich oder Brasilien, von wo ich erst seit ein paar Tagen zurück bin, meine Lieder waren schon vor mir dort gewesen. Ich liebe es, in diesem schönsten Beruf der Welt zu arbeiten - und endlich uneingeschränkt so musizieren zu dürfen, wie ich es mir immer gewünscht habe. Manchmal kommt es mir fast unwirklich vor. Vor allem in einem Moment wie diesem, nach Monaten zurück in meiner Heimat, hier, wo ich meine Kindheit verbracht habe.
    Hier ist es nicht selbstverständlich, auf einmal, nach all den Jahren der kleinen Schritte und Rückschläge ein Leben auf der Überholspur zu führen, alles erreicht zu haben, was ich mir jemals erträumt habe - und noch mehr. Unglaublich, was sich in diesem Jahr
ereignet hat: Millionenauflagen meiner Platten, Auftritte auf der ganzen Welt und so etwas eigenartig Groteskes wie internationaler Superstar-Status. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mir einen Neuwagen gekauft - einen Ford Mustang Cabrio. Es ist das Auto meiner Träume, weiß mit roten Ledersitzen, elegant und sportlich, wie ich es liebe, und es zeigt aller Welt, daß der kränkliche, dünne »Jürgen« es geschafft hat.
    Hier in Kärnten spüre ich wieder den kleinen Jungen von damals in mir: alte, eigentlich längst abgelebte Gefühle. Meine ersten Erinnerungen: eine Motorbootfahrt mit meinem Großvater und meinem Bruder Joe auf dem Wörthersee, als ich vier oder fünf Jahre alt war, die erste Mundharmonika, die ich an meinem fünften Geburtstag bekam, der drohende Klang der Bomberverbände, das abgeschossene Flugzeug, die Ohrfeige des Jungzugführers, unsere Flucht und unsere Rückkehr - und mein erster Theaterbesuch, der alles für mich verändert und mir eine neue, langersehnte Wirklichkeit eröffnet hat.
    Hier, in dieser Gegend, verwischen sich Gegenwart und Vergangenheit, mein Lebensgefühl von heute, wie ich es überall sonst auf der Welt verspüre, und mein Lebensgefühl von früher, das mich hier wieder einholt - in einem ganz bestimmten Duft, diesem Licht, dieser Landschaft. »Hier bin ich zu Hause«, der Titel eines neuen Liedes, das ich Kärnten gewidmet und gerade aufgenommen habe. In ein paar Tagen werden wir in Pörtschach, im Hotel Schloß Seefels einen kleinen Film für eine Fernsehshow dazu drehen. Vorher ein paar Tage Urlaub bei meinen Eltern. Ein seltenes Privileg. Und heute nachmittag, nachdem das Gewitter abgezogen ist, eine oder zwei Stunden ganz allein auf dem Wasser, auf meinem Boot. Krafttanken, wieder mal nur ich selbst sein, für niemanden erreichbar, niemandem verpflichtet.
    Ich atme tief ein, lasse die Ruhe in mich einströmen und merke, wie sehr ich dieses Gefühl vermißt habe.
    Vor ein paar Tagen war ich noch in Rio de Janeiro, habe in der Maracaná-Halle, angrenzend an das berühmte gleichnamige Fußballstadion, vor 40 000 Menschen gespielt.
    Dann zurück nach München, zwei Tage bei Panja und den Kindern. Inzwischen haben wir zu unserem Sohn Johnny, der dreieinhalb Jahre alt ist, noch eine Tochter bekommen, Jenny, schon acht
Monate alt, benannt nach meinem Lied und nach Jenny Vogel, der Schwester meiner »schwarzen Omi«. Oft habe ich die Kleine seit ihrer Geburt nicht gesehen. Jede Begegnung mit den Kindern ein neues Kennenlernen: Johnny entwickelt sich zu einem richtig pfiffigen Kerl und zu einem unglaublich lieben, friedlichen Kind, interessiert an allem, was er sieht, jede Baustelle, jeder Schatten, jede Spiegelung in einer Pfütze gibt ihm Rätsel und Fragen auf, die beantwortet werden wollen. Zwei Tage, um ihm die Welt zu erklären …
    Jenny hat, anders als Johnny, jetzt schon einen eisernen Willen und weiß immer ganz genau, was sie will und wie sie es bekommen kann. Und sei es mit energischem Gebrüll. Angeblich sagt sie schon »Papa«, wenn sie ein Bild von mir sieht, aber in den beiden Tagen, die ich in München war, habe ich das nicht erlebt.
    Meine Ehe ist ein seltsames Konstrukt, das im Grunde scheiternd aufrechterhalten wird. Es hat sich in der letzten Zeit allmählich eine gewisse Sprachlosigkeit zwischen Panja und mir breitgemacht, für die keiner von uns die Schuld

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