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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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trägt. Und was heißt in diesem Zusammenhang auch »Schuld«. Wir leben einfach in zu verschiedenen Welten. Sie zu Hause, mit den Kindern, ich immer unterwegs, von einem Kontinent zum anderen, von einer aufregenden Erfahrung zur nächsten. Aber von den Entwicklungen zu Hause bekomme ich nur sporadisch etwas mit - der erste Zahn, der erste Schritt, das erste Wort, fast nie bin ich dabei, und wenn ich dann mal bei Panja und den Kindern bin, bemüht sie sich, mir eine möglichst heile Welt zu bieten, so daß ich eigentlich gar nicht mehr weiß, wie sie lebt, und sie kann sich mein Leben auch nur in sehr unzureichendem Maße vorstellen. Schlechtes Gewissen, das ich mir ständig ganz gezielt auszureden versuche.
    Das alles ist natürlich nicht gut für eine Beziehung, auch wenn uns irgendetwas immer aneinander festgehalten hat.
    Daß ich nicht treu bin, weiß Panja. Manchmal frage ich mich, warum Treue für mich eigentlich etwas so Schwieriges ist. Ich muß mir wohl eingestehen, daß ich in diesem Punkt von einem geradezu grenzenlosen Egoismus befallen bin. Auch wenn ich verliebt zu einem Menschen stehe, geht es nie so weit, daß ich Einschränkungen meiner persönlichen Freiheit hinnehmen würde. Niemand scheint mir wichtiger zu sein als meine eigene Ungebundenheit, so seltsam und bedenklich mir das auch selbst manchmal erscheint.

    Ob diese seltsame Struktur meiner Seele mit den Verlockungen meines Berufs zu tun hat, mit der Sinnlichkeit der Musik, der inneren Freiheit, ohne die ich niemals kreativ sein könnte, ich weiß es nicht. Jedenfalls stand meine Karriere und auch meine wirtschaftliche Situation - vor allem nach den mehr als harten Anfängen, den Jahren, in denen ich ständig pleite war - für mich immer im Vordergrund, und ich habe mich damit getröstet, daß die Familie mich eines Tages verstehen wird und daß ich meinen Kindern - und auch Panja - wenigstens eine sichere Zukunft bieten kann.
    Vor eineinhalb Jahren bin ich dann, als ob das alles noch nicht kompliziert genug wäre, in Wien Vater einer unehelichen Tochter, Sonja, geworden. Ihre Mutter: eine für mich Fremde, eine flüchtige Begegnung, verliebtes Begehren.
    Dann Monate später ein Brief von ihr, sie erwarte ein Kind, dessen Vater ich sei. Sie habe aber inzwischen den Mann geheiratet, mit dem sie schon damals verlobt gewesen sei. Er wisse Bescheid und stehe zu ihr. Vaterschaftstest, natürlich hab ich die kleine Sonja anerkannt und werde versuchen, einen guten Kontakt zu ihr aufzubauen, schließlich ist sie meine Tochter, und sie aus den Medien herauszuhalten, um ihr ein ungestörtes Aufwachsen zu ermöglichen, soweit das unter diesen Umständen überhaupt möglich ist.
    Panja hat mein Geständnis damals erstaunlich gelassen aufgenommen. Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt auch längst für das Modell »offene Ehe« entschieden. Meine Eltern waren von der Nachricht, daß ich Vater eines unehelichen Kindes wurde, erschrocken und voll Sorge. Was soll aus dem Kind werden? Was aus deiner Ehe? Was, wenn die Presse davon erfährt? Was führst du bloß für ein Leben, Junge, wir kommen da nicht mehr mit. Lebenschaos pur.
    Auch wenn die Liebe zwischen Panja und mir nicht mehr genug Kraft hat, um uns als Basis für ein gemeinsames Leben zu dienen, gibt es da doch etwas, das uns aneinander bindet. Es ist nicht ein blasses, verlogenes »Wir wollen wegen der Kinder zusammenbleiben«, wie man es so oft hört, sondern es ist ein Versuch, uns ein aufrichtiges soziales Umfeld zu schaffen, in dem wir trotz der Unzulänglichkeit unserer Liebe so etwas wie ein Zuhause beieinander finden. Wir stehen zueinander, leben respektvoll miteinander und versuchen, den Kindern einen Ort zu bieten, an dem sie in einer
Familie aufwachsen können - und zwar nicht in einer zerrütteten Familie, sondern in echter Geborgenheit, in dem die Eltern unter einem Dach und doch in eigenständigen Räumen leben. Wir wollen das Experiment wagen, eine Mischform zwischen Getrenntsein und Zusammenleben zu finden, mit der wir alle uns wohl fühlen können, und bis jetzt scheint es ganz gut zu funktionieren.
    Panja hält auch den Kontakt zu meiner Familie, sie liebt es, nach ihrer alles andere als glücklichen Kindheit, ihrem vaterlosen Aufwachsen, nun endlich so etwas wie Geborgenheit bei meinen Eltern und Onkeln zu finden, darin aufgehoben zu sein. Auch das schweißt uns ein Stück weit zusammen. Daß ich wenig Zeit für sie und die Kinder habe, macht sie mir nicht zum Vorwurf.
    Mein eigenes

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