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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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wird es eben immer schwieriger, richtig und falsch zu unterscheiden. Und als Mensch, der in der Öffentlichkeit steht, wird man halt ständig nach seiner Meinung gefragt, auch wenn man dafür gar nicht zuständig ist. Da muß man Positionen beziehen, auch wenn man sie noch gar nicht wirklich hat.«
    Manfred mischt sich entschlossen ein. »Für mich ist das ganz klar. Was auch immer ihr sagt, ich war und bin bis heute dagegen, in Hainburg die Auen zu opfern. Das geht einfach nicht, da muß man andere Wege finden!«
    Joe meint mit einem geduldigen Nicken: »Ja, aber welche anderen Wege soll es denn geben? Das mag ja alles seine Berechtigung haben, aber irgendeinen Preis muß eine Gesellschaft eben bezahlen, und bei uns scheint das demokratische Verständnis der Menschen sich immer mehr auf das Verhindern zu beschränken, anstatt etwas zu erschaffen.« Joe nimmt einen Schluck Wein. Konzentriert fährt er fort: »Jede Entwicklung, jeder Lösungsansatz für das Energieproblem wird zur Zeit von einer überhysterischen Umweltschutzlobby im Keim erstickt. Ich bin ja mein Leben lang in der Energiewirtschaft tätig, ich bin damit Tag für Tag konfrontiert, glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche. Am Ende führt das dazu, daß wir Atomenergie
von unseren Nachbarn im Ostblock importieren müssen und so dafür sorgen, daß deren unsichere Kraftwerke, diese Rostschüsseln, immer mehr produzieren und ausgebaut werden müssen und am Ende noch explodieren, anstatt daß wir hier, in einem demokratischen Land mit vielen Kontrollmechanismen in den sauren Apfel beißen und Kernkraftwerke nach dem neuesten westlichen Sicherheitsstand bauen. Also, ich empfinde das als krank!«
    Eine Weile schweigen wir, dann meine ich nachdenklich: »Das leuchtet mir ein, und ich bin sicher, den beschrittenen Weg mit Atomenergie kann sowieso niemand mehr aufhalten. Aber es sollte wenigstens nicht die Lösung für alle Ewigkeit sein. Als Übergang, bis ausreichend alternative Energiequellen entwickelt worden sind, scheint es mir vorstellbar, mit der Kernkraft zu leben, wenn - wie du sagst - alles Erdenkliche für die Sicherheit getan wird.« Ich greife nach einem Stoß Autogrammkarten und beginne, sie in das Schweigen hinein zu unterschreiben. »Manchmal glaube ich, es müßten Träumer her, die Utopien entwickeln: Ebbe, Flut, die Stürme, die die Meere aufwühlen, eine Kraft, die milliardenfach in jeder Stunde an Felsen und Stränden verpufft und im Laufe der Zeit sogar aus Steinen Sand geschaffen hat, das müßte man nutzen können.«
    Manfred wirft ein: »Oder Vulkanenergie, die Feuer aus dem Inneren der Erde, die Unwetter, die Blitze oder was weiß ich, das wäre es doch!« Dann wird er wieder sachlich. »Natürlich alles Träumereien. Aber wenn schon Atomkraft, dann müßte wenigstens eine internationale Kontrollinstanz jederzeit Zutritt zu allen Atomkraftwerken der Welt und überall Befugnis zum Eingreifen, Abschalten oder was auch immer haben. Aber ich habe nicht das Gefühl, daß man sich da um eine echte Lösung bemüht.«
    Er macht eine wegwerfende Handbewegung.
    »Brüder, ich fürchte, wir können heute abend die Welt nicht mehr retten«, versuche ich die Diskussion zu beenden. »Schließlich können wir uns nicht um alles kümmern. Daher stelle ich den Antrag, daß wir drei jetzt auf den Empfang ins Rathaus gehen und den Abend feiern!«
    Joe hebt mit gespieltem Ernst die Hand. »Antrag mit absoluter Mehrheit angenommen!«
    Stunden später. Der frühe Morgen hat längst begonnen, die Nacht zu besiegen. Am Horizont wird es bereits hell. Meine Brüder
sind gerade gegangen. Angezogen liege ich auf meinem Bett und frage mich, ob ich wohl werde einschlafen können nach so einem Abend.
    Inzwischen hat es geregnet. Was es in diesen Tagen bedeutet, wird morgen in den Nachrichten zu hören sein. Durch das offene Fenster streift der Morgenwind über mein Gesicht. Die Vögel singen wie eh und je, und ich frage mich, was für einen seltsamen Beruf ich eigentlich habe: Wenn andere Menschen etwas erschaffen, dann bleibt das Ergebnis der Arbeit bestehen - irgendwie. Es läßt sich anfassen, nutzen, ansehen. Sei es ein Bild, wie Manfred es malt, Energie, wie Joe sie herzustellen hilft, Schuhe, die ein Schuster fertigt, ein Buch, das jemand schreibt, das Brot des Bäckers, das den Hunger stillt, der Baum, den der Gärtner pflanzt. Wenn ich auf eine Bühne gehe, dann bleibt von dem, was diesen Abend prägt, nur die Erinnerung. Er existiert nur im jeweiligen

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