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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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dieses Land? Es hat uns erst zu dem gemacht, was wir sind, und wir müssen bei aller Liebe zum Land unserer Vorfahren einsehen: Es ist eine Unverschämtheit, was Deutschland sich nun anmaßt! Diesem selbstgerechten, arroganten Kaiser mit seinen deutschen Allmachtsphantasien muß man seine Grenzen zeigen! Wir haben alle deutsche Wurzeln, das ist es, was uns eint, aber viele von uns sind hier in Rußland inzwischen heimisch geworden, haben sogar die russische Untertanenschaft angenommen. Ich zum Beispiel bin ein treuer Diener meiner neuen Heimat, und wenn es darauf ankommt, werde ich das auch unter Beweis stellen. Mit meinem Herzen und, wenn es sein muß, mit meinem deutschen Blut.«
    Zweifel und Zustimmung halten sich die Waage.
    Der Baron schlägt erbost mit der Faust auf den Tisch, kommt aber diesmal nicht zu Wort. Werner Vogel betrachtet seinen Schwager und bislang besten Freund Robert Lehmann mit der Fassungslosigkeit wachsender Fremdheit und wird bei seinen Worten zusehends nervös. Heinrich Bockelmann beobachtet ihn besorgt und ratlos und mit dem zunehmenden Gefühl der Ohnmacht.
    Robert Lehmann beruhigt sich ein wenig, erklärt sachlicher und um Zustimmung werbend mit dem typischen Akzent der Rußlanddeutschen: »Wir haben diesem Land viel zu verdanken, und ich sehe für uns nur einen einzigen Weg: Wir müssen das Vertrauen des Zaren erwerben. Wir müssen uns geschlossen zu Rußland bekennen. Rückhaltlos. Immerhin hat der Zar eine deutsche Frau. Er ist uns Deutschen auf tausenderlei Weise verbunden. Wir müssen ihm nur die Möglichkeit geben, sich unserer Loyalität zu versichern. Eine Ergebenheitsadresse an den Zaren, in der wir uns unter seinen Schutz und Befehl stellen, das ist unsere einzige Chance. Und der einzige Weg, unsere Ehre und - wenn es zum Äußersten kommt - auch unsere berufliche und persönliche Existenz zu bewahren.«
    Er hält einen Augenblick lang inne, fährt dann fort: »Sie werden das jetzt nicht gern hören, meine Herren, aber wenn es ganz hart auf hart kommt, müssen wir sogar noch weitergehen: Vor hundert Jahren hat die deutsche Kaufmannschaft den patriotischen Krieg des Zaren Alexander gegen Napoleon nicht nur ideell, sondern auch finanziell unterstützt. Dafür ist das Zarenhaus uns deutschen
Kaufleuten bis heute dankbar. Wenn wir wirklich sichergehen wollen, daß der Zar von unserer Ergebenheit überzeugt ist, sollten wir sie auch diesmal nicht nur erklären, sondern mit einer stattlichen Summe für die Kriegskasse des Zaren unterstreichen. Die Generalmobilmachung verschlingt ja große Summen. Auch wenn es nicht zum Letzten kommt.«
    Jetzt kann Werner Vogel sich nicht mehr halten. »Robert, was du hier vorbringst, ist eine schamlose Aufforderung zum Hochverrat! Unterwerfung und auch noch Finanzierung der russischen Kriegstreiberei gegen Deutschland? Bedenk doch bitte, in welcher Runde du dich hier befindest! Du bist russischer Soldat, aber ich bin ein Angehöriger der deutschen Armee, ich bin Oberleutnant der Reserve im sächsischen Leibregiment, und ich bin stolz darauf. Ich habe meinem deutschen Vaterland Treue bis in den Tod geschworen, und ich weiß, wo ich stehe. Auch wenn du inzwischen russisch fühlst, das ist doch Wahnsinn! Wo bleibt deine Soldatenehre!«
    Heinrich Bockelmann, erschreckt über die scheinbar unversöhnliche Heftigkeit sogar innerhalb der eigenen Familie, versucht zu vermitteln: »Eine Ergebenheitsadresse oder gar eine Zuwendung für die zaristische Kriegskasse wäre mit Blick auf die deutschen Soldaten, die es unter uns gibt, natürlich undenkbar, aber über eine Erklärung unserer Neutralität müssen wir nachdenken. Das wäre in diesem Falle viel eher klug als feige. Was meint ihr dazu?«
    Ehe einer der beiden darauf antworten kann, pflichtet Hofphotograph Fritz Eggler Heinrich bei: »Das ist richtig! Ich heiße Fritz Eggler und bin Russe. Und sogar Photograph des Zaren! Das sagt doch eigentlich alles. In all den Jahrzehnten war dies ein Paradox, mit dem sich gut leben ließ. Die meisten von uns sind ein Teil dieses Landes und seiner Kultur geworden. Das läßt sich doch nicht leugnen oder mit dem deutschen Blut übertünchen, das in unseren Adern fließt. Wir alle haben nicht nur eine Heimat, sondern zwei, und wenn diese beiden Heimatländer sich nun in Zwietracht gegenüberstehen, dann kann man nicht von uns verlangen, Partei zu ergreifen! Der Zar wird das begreifen. Dieser Konflikt spaltet unsere Seele!«
    Albert Spies, Leiter der russischen

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