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Der Mann mit dem goldenen Colt

Titel: Der Mann mit dem goldenen Colt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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auf Bonds Nabel gerichtet.
    »Was haben Sie hier verloren, Fremder? Sehr merkwürdig, so einen Schwindler aus der Stadt im 3% zu treffen. Oder überhaupt in Sav’ La Mar. Nicht vielleicht zufällig von der Polizei? Oder einer von ihren Freunden?«
    »Kamerad!« Bond hob seine Hände in scheinbarer Kapitulation. Dann senkte er sie und wandte sich an Tiffy. »Wer ist der Mann? Will er vielleicht im Alleingang Jamaika erobern? Oder kommt er aus einem Zirkus? Fragen Sie ihn, was er trinken möchte. Wer immer er ist, die Vorstellung war gut.« Er spürte, daß Scaramanga nahe daran war, abzudrücken. Einen Revolvermann in seiner Eitelkeit treffen . . . Er sah sich schon, wie er sich selbst am Boden wand, seine rechte Hand außerstande, nach der eigenen Waffe zu greifen.
    Tiffys hübsches Gesicht war nicht mehr hübsch. Sie starrte James Bond an. Ihr Mund öffnete sich, aber kein Laut kam von den bebenden Lippen.
    Er gefiel ihr, und sie wußte, daß er bereits so gut wie tot war.
    Die Kling-klings Joe und May schienen die spannungsgeladene Atmosphäre zu spüren. Mit ängstlichem metallischem Gequietsche flohen sie zu dem offenen Fenster wie schwarze Diebe, um in der Nacht zu entkommen.
    Die Schüsse aus dem Colt waren ohrenbetäubend.
    Die beiden Vögel stürzten herab. Fetzen von Federn und rosa Fleisch flogen aus dem gelben Licht des Cafés wie Schrapnells auf die verwahrloste, verlassene Straße hinaus. James Bond rührte sich nicht. Er blieb sitzen und wartete, daß die Spannung der Heldentat nachließ.
    Dies geschah aber nicht.
    Mit einem unartikulierten Schrei, der ein halber Fluch war, riß Tiffy eine Flasche vom Bartisch und warf sie ungeschickt nach Scaramanga. Die Flasche flog in eine Ecke und zerbrach klirrend. Nach dieser schwächlichen Geste fiel
    Tiffy hinter der ^eke auf die Knie und begann hysterisch zu schluchzen.
    James Bond trank den Rest seines Biers und stand langsam auf. Er ging auf Scaramanga zu und war schon fast an ihm vorbei, als der Mann lässig den linken Arm ausstreckte und Bond am Oberarm faßte.
    Er hielt die Mündung seines Revolvers an die Nase und schnüffelte leicht.
    Der Ausdruck in den leblosen braunen Augen war ganz abwesend, als er sagte: »Mister, es ist etwas Besonderes an dem Geruch des Todes. Kennen Sie ihn?«
    Er hielt James Bond den glänzenden Revolver hin, als wolle er ihm eine Rose anbieten.
    Bond stand ganz still. Er sagte: »Benehmen Sie sich. Lassen Sie mich gefälligst los.«
    Scaramanga zog die Brauen hoch. Der bleierne Blick schien Bond zum erstenmal zu erfassen. Er nahm seine Hand weg.
    James Bond ging weiter, um den Bartisch herum.
    Scaramanga folgte ihm mit dem Blick, in dem jetzt verächtliche Neugier lag.
    Bond blieb stehen. Das Schluchzen des Mädchens klang wie das Winseln eines Hündchens. Unten auf der Straße begann ein Lautsprecher Calypsomusik zu plärren.
    Bond sah dem Mann in die Augen.
    Er sagte: »Danke. Ich kenne ihn. Ich empfehle Ihnen den Berliner Jahrgang. 1945.« Er lächelte freundlich, nur leicht ironisch. »Aber ich nehme an, Sie waren zu jung, um bei dieser Kostprobe dabeizusein.«
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    Bond kniete neben Tiffy nieder und gab ihr zwei starke Schläge auf die rechte Wange, dann auf die linke.
    Die nassen Augen blickten wieder klar. Sie hob ihre Hand zum Gesicht und sah Bond erstaunt an.
    Bond stand auf, nahm ein Tuch und feuchtete es am Wasserhahn an, dann beugte er sich nieder, legte seinen Arm um sie und wischte mit dem Tuch sanft über ihr Gesicht.
    Dann half er ihr hoch und reichte ihr die Handtasche, die in einem Fach hinter dem Bartisch lag.
    Er sagte: »Kommen Sie, Tiffy, machen Sie Ihr Gesicht wieder hübsch. Bald wird hier viel los sein. Die Erste Dame muß nun wieder gut aussehen.«
    Tiffy nahm die Tasche und öffnete sie. Sie sah an Bond vorbei und bemerkte zum erstenmal seit der Schießerei Scaramanga. Die schönen Lippen zogen sich wütend zusammen.
    Sie wisperte leidenschaftlich, daß nur Bond es hören konnte: »Ich werde diesen Mann fertigmachen, aber gründlich. Oben am Orangenhügelweg wohnt Mutter Edna; sie versteht sich auf Zauberei. Morgen geh ich zu ihr hinauf. In ein paar Tagen passiert ihm was, und er wird nicht wissen, weshalb.«
    Sie nahm einen Spiegel heraus und begann ihr Gesicht herzurichten. Bond zählte fünf Pfundnoten aus seiner Brieftasche und steckte Tiffy das Geld zu. »Kaufen Sie sich damit einen hübschen Kanarienvogel in einem Käfig. Und ich bin sicher, es wird ein anderes Paar Klings herkommen, wenn Sie

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