Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
Vom Netzwerk:
die stampfenden Maschinen noch das Plätschern des Schaufelrads. Er vergaß die Leute an der Reling, die Bäume am Ufer und die feuchtwarme Brise, die ihm über das Gesicht strich. Für ihn gab es nur das Stückchen Zeitungspapier.
    »Tut mir leid«, sagte Holly.
    Es dauerte eine Weile, bevor er merkte, daß sie gesprochen hatte. Er antwortete nicht. Wie gebannt sah er auf die Notiz.
    »Wollen Sie behaupten, Sie kannten ihn nicht? Hüten Sie sich, denn ich habe Sie und Jack Doyle zusammen fotografiert.«
    »Nein.« Was er gerade gelesen hatte, machte ihn benommen. Zum ersten Mal in seiner langen Laufbahn als Undercoveragent tat er das Unvorstellbare: Er gab seine Tarnung auf. »Nein«, wiederholte er, »ich leugne es nicht. Ich habe Jack Doyle gekannt. Auch seine Frau Cindy, die ich gern mochte, sehr gern.«
    »Mir fällt etwas auf.«
    »Was?«
»Ihr Gesichtsausdruck. Sie sind ein verdammt guter Schauspieler, aber niemand ist perfekt. Sie haben tatsächlich nichts über den Tod von Bailey und den Doyles gewußt.«
    »Stimmt.« Buchanan fiel das Sprechen schwer. »Ich habe es nicht gewußt.« Er griff nach der Cokebüchse und trank. Ihn beschlich kurz der Verdacht, daß er hereingelegt wurde und die Ausschnitte nicht echt waren. Im nachhinein war das, was Bailey und den Doyles geschehen war, vom Standpunkt der Operation und der taktischen Logik her so richtig, daß kein Zweifel mehr möglich war. Ja, er war getäuscht worden, doch nicht von Holly.
    »Vielleicht war es Zufall«, sagte Holly, »daß Jack Doyle seine Frau in derselben Nacht getötet hat, in der Bailey in die Luft flog.«
    »Nein.«
    »Sie glauben, es war Doppelmord?«
    »Es gibt keine andere Erklärung.«
    »Wieso sind Sie so sicher?«
    Buchanan deutete auf die Notiz. »›… die Schlafende mit einem 38er Revolver erschoß …‹ Nein!«
    »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Warum sollte er nicht einen 38er Revolver benutzen?«
    »Weil er bei den SEALs war.«
    »Ja, das ist eine Spezialeinheit der Navy. Trotzdem …«
    »Er verstand etwas von Waffen. Für ihn war ein 38er bloß ein Spielzeug. Er hatte zwar einen – für Cindy, zu ihrem Schutz während seiner Abwesenheit. Aber es gab noch viele andere Schießeisen im Haus. Die Waffe seiner Wahl wäre eine 9-mm-Halbautomatik gewesen. Er liebte seine Frau so sehr, daß ich ihn um diese Liebe beneidete. Ihre Erkrankung war ernst, sie sprach nicht auf die Behandlung an. Und doch hatte sie noch nicht den Punkt erreicht, an dem die Schmerzen ihre Würde untergraben hätten. Wenn es soweit war, wenn Jack mit Cindys Einwilligung den Entschluß faßte, sie von ihrem Leiden zu erlösen, dann hätte er verdammt noch mal kein Kaliber benutzt, von dem er nichts hielt.«
    »Ihre Welt ist so ganz anders als meine. Ethische Überlegungen, welche Waffe man bei einem Mord und Selbstmord am besten benutzt. Das soll kein Werturteil sein. Es ist nur so: Mein Vater war Anwalt und billigte Waffen nicht. Von Filmen abgesehen, habe ich zum ersten Mal eine gesehen, als ich über einen Bandenkrieg in Los Angeles berichtete.«
    »Verstehe.« Buchanan hatte kaum zugehört.
    »Also«, fragte Holly, »falls es sich um einen Doppelmord handelt, wer ist dafür verantwortlich? Die gleichen Leute, die Bob Bailey töteten?«
    »Was weiß ich!«
    »Sie kennen die dritte Meldung noch nicht.«
    Er blickte auf den Text und hatte ein ungutes Gefühl.
     
    Unfallopfer noch nicht gefunden
    Fort Lauderdale – Taucher suchen weiter nach der Leiche von Victor Grant, dem vermutlich einzigen Insassen eines Mietwagens, der gestern nacht ein Geländer durchbrach und im Intracoastal Waterway südlich der Oakland Park Avenue versank. Zahlreiche leere Bierdosen lassen die Behörden vermuten, daß Grant betrunken war und die Kontrolle über den Wagen verlor. Im Unfallfahrzeug wurden ein Koffer und eine Windjacke mit einer Brieftasche und Victor Grants Ausweis gefunden. Die Polizei nimmt an, daß der Körper des Verunglückten aus einem offenen Fenster trieb und in einem der örtlichen Docks hängenblieb.
     
    Buchanan glaubte, er sei abgestürzt und werde nie unten ankommen.
    »Ich habe mich nur deshalb nicht mit Händen und Füßen gesträubt, Ihnen den Paß zurückzugeben, weil ich jede Seite abfotografiert habe«, sagte Holly. »Ich besitze Bilder von Ihnen aus Fort Lauderdale und kann nachweisen, daß Sie mit Bailey und Doyle zu tun hatten. Diese Meldung liefert den Beweis, daß sich ein Mann namens Victor Grant in Fort Lauderdale aufhielt und in

Weitere Kostenlose Bücher