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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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in Sicht – die anderen Mieter waren bereits von der Arbeit nach Hause zurückgekehrt. Als er über den grünen strapazierfähigen Teppichboden ging, hörte er aus den Wohnungen links und rechts Musik, Stimmen und Badgeplätscher. Endlich stand er vor dem Apartment Nummer 327, öffnete die Tür und trat ein.
    Er schaltete das Licht an, warf einen prüfenden Blick auf die Wohnküche und schloß die Tür ab; dann checkte er die Schränke, Bad und Schlafzimmer. Ans Fenster trat er erst, nachdem er das Licht wieder gelöscht und die Vorhänge zugezogen hatte. Dann ließ er sich auf das Sofa fallen. Er war sicher. Jedenfalls im Augenblick.

2
 
    Das Apartment besaß die Atmosphäre eines Hotelzimmers: alles sauber, aber funktionell und unpersönlich. Ein Teil des Wohnraums war in ein Minibüro mit Schreibtisch und kompletter PC-Anlage verwandelt worden. Auf dem Couchtisch lagen einige Nummern der Zeitschrift, für die er angeblich tätig war, und als Buchanan sie durchblätterte, stieß er auf Artikel, die ein Don Colton verfaßt hatte. Das war ein weiteres Zeichen dafür, daß Don Colton eine Allzweckidentität war. Don Colton – zumindest der jetzige Träger dieses Namens – würde sich hier wohl nicht lange aufhalten.
    Trotzdem mußte Buchanan seine Rolle als Colton glaubhaft gestalten. Deshalb las er zunächst die angeblich aus seiner Feder stammenden Beiträge. Als er den zweiten zur Hälfte überflogen hatte – er handelte von Tahiti –, merkte er mit einem Mal, daß schon zwei Stunden verstrichen waren. Hatte er wirklich so lange gebraucht, um ein paar Seiten zu lesen? War er eingeschlafen? Die »mexikanischen Kopfschmerzen« machten ihm wieder zu schaffen. Müde erhob er sich, ging in die Küche und schenkte sich einen Bourbon ein. Die Flasche stand neben Gin und Rum auf dem Kühlschrank. Er fügte Eis und Wasser hinzu und überlegte, was er zuerst tun sollte – duschen oder eine Dose Chili öffnen. Am nächsten Tag würde er sich um saubere Kleidung kümmern müssen, denn die, die im Schlafzimmer hing, war ihm zu klein.
    Als das Telefon klingelte, stellte er das Glas ab und starrte den Apparat an, der auf einem Tisch neben dem Sofa stand. Es läutete zum zweiten Mal. Er nahm einen kleinen Schluck Bourbon, um ruhiger zu werden. Es klingelte zum dritten Mal. Mit zusammengekniffenen Augen betrat er das Wohnzimmer und nahm den Hörer ab.
    »Hallo.« Er versuchte, seiner Stimme einen neutralen Klang zu geben.
    »Don!« rief eine männliche Stimme überschwenglich. »Hier ist Alan! Ich war nicht sicher, ob Sie schon zurück sind. Mann, wie geht es Ihnen?«
    »Gut«, antwortete Buchanan. »Recht gut.«
    »War die Reise okay?«
    »Der Rest, ja.«
    »Ja, auf Ihren Postkarten stand was von Schwierigkeiten in anderen Städten. Aber Sie haben alles gepackt, stimmt’s?«
    »Ja, richtig.«
    »Das ist ja großartig. Hören Sie, Kumpel, ich weiß, es ist schon spät, aber wir haben uns seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Was meinen Sie? Haben Sie schon gegessen? Haben Sie Lust, sich mit mir zu treffen?«
    »Nein, ich habe noch nicht gegessen.«
    »Na, dann komme ich einfach mal rüber!«
    »Einverstanden, warum nicht?«
    »Toll, Don. Kann es gar nicht erwarten. Ich bin in einer Viertelstunde da. Überlegen Sie mal, wo Sie essen möchten.«
    »Irgendwo, wo es gemütlich ist und nicht so voll. Vielleicht mit Klaviermusik.«
    »Genau meine Vorstellung, Don, genau.«
    »Bis gleich.« Buchanan legte den Hörer auf und massierte sich die schmerzenden Schläfen. »Postkarten« und »Klaviermusik« waren Parole und Gegenparole, die, der Nachricht in der Bibliothek zufolge, bei der Kontaktaufnahme benutzt werden sollten. Seine Auftraggeber ließen also nicht lange auf sich warten.
    Beruhigt trank er seinen Bourbon.

3
 
    Eine Viertelstunde später, auf die Minute pünktlich, klingelte es an der Tür. Buchanan äugte durch den Spion und sah einen korpulenten Herrn, mit kurzem Haarschnitt und in den Vierzigern, der ein braunkariertes Sportsakko trug. Die Stimme am Telefon war Buchanan unbekannt, daher war er nicht überrascht, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Im stillen hatte er gehofft, daß einer der Leitoffiziere auftauchen würde, mit denen er früher schon gearbeitet hatte. Es wurde zu oft gewechselt.
    Vorsichtig öffnete er. Schließlich war es nicht selbstverständlich, daß der Besucher sein Kontaktmann war. Aber der andere zerstreute sofort seine Befürchtungen, indem er mit demselben fröhlichen Ton sprach wie

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