Der Mann mit der dunklen Maske
wieder. „Was habe ich nur getan?“ murmelte er.
Die Schwestern, fand Camille, waren nicht nur wunderbar, sie waren auch zauberhafte Patentanten.
Trotz der Ereignisse des Tages und Evelyn Priors Anwesenheit konnte Camille nicht umhin, ihre Begeisterung über das Kleid zu zeigen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so etwas getragen. Es grenzte fast an Zauberei. In nur einem Tag hatten die drei Frauen ein atemberaubendes Kleid geschneidert. Und es passte absolut perfekt.
Natürlich hatten sie auch noch dafür gesorgt, dass die richtigen Unterkleider da waren. Ein spitzengesäumtes Korsett, passende Unterröcke, eine von der Größe genau richtige Tournüre. Camille war selbst überrascht, wie lebendig, wie strahlend sie in dem Kleid aussah. Die Farbe ließ ihr Haar noch dunkler wirken und ihre Augen funkeln. Und als sie sich einmal um sich selbst drehte, fühlte sie sich wirklich wie eine Prinzessin. Das Mieder war tief ausgeschnitten, aber nicht zu tief. Die kurzen, angesetzten Ärmel bildeten einen eleganten Bogen zu ihren Schultern. Der Stoff fiel schimmernd über einen leichten Unterrock und das perlenbesetzte Oberteil schmiegte sich eng an ihre weiblichen Kurven.
„Oh, Miss! Sie sind so wunderschön“, rief die kleine Ally.
Camille lächelte das Kind an und verlor etwas von ihrem Enthusiasmus, als sie an die Eltern der Kleinen denken musste.
„Danke“, sagte sie zu dem Mädchen.
„Ich habe auch geholfen, weißt du“, erzählte Ally stolz.
„Hast du das wirklich?“
„Na ja, nur ein bisschen. Aber sie haben mich ein paar Stiche am Saum machen lassen.“
„Wunderbar. Und vielen Dank dafür.“
Die Schwestern standen zusammen und betrachteten stolz und mit spitzbübischem Lächeln, was sie geschaffen hatten.
Evelyn Prior ging zufrieden nickend um sie herum. Camille fühlte sich, als wäre sie ein neues Möbelstück, das gerade eingetroffen war.
„Entzückend, entzückend“, sagte Evelyn und lächelte die Schwestern an. „Dann wollen wir es ihr mal wieder ausziehen. Wir müssen es noch sorgfältig verpacken, und seine Lordschaft wartet schon auf uns.“
„Sie können nicht zum Tee bleiben?“ fragte Edith enttäuscht.
„Ich fürchte, nein. Lord Stirling möchte Miss Montgomery empfangen, bevor er selbst zu Abend isst.“
„Oh, das ist aber schade“, rief Ally.
Evelyn schenkte dem Kind ein liebevolles Lächeln. „Ally, Liebes, wir werden aber wiederkommen, weißt du.“
Ally nickte mit einer etwas zu verständigen Miene für ein Kind ihres Alters.
Als sie das Cottage verließen, wartete Shelby schon an der Kutsche, um Camille hineinzuhelfen. Er lächelte sie an und sagte etwas ungelenk: „Auf dem Ball morgen Abend kann es keine Frau geben, weder Lady noch Bürgerliche, die schöner ist als Sie.“
„Meinen tiefsten Dank. Für all Ihre Freundlichkeit“, erwiderte Camille.
Evelyn war direkt hinter ihr. Camille stieg in die Kutsche. Sie wusste immer noch nicht, warum sie der Frau plötzlich so großes Misstrauen entgegenbrachte.
„Ich bin mir da nicht so sicher“, murmelte Evelyn. „Ich bin mir überhaupt nicht sicher.“ Sie war sofort nach ihrer Rückkehr vom Landhaus der Schwestern in seine Gemächer gekommen. Camille war zu Tristan geeilt, der inzwischen wieder im Bett lag, um etwas Zeit mit ihm zu verbringen.
Brian hob eine Augenbraue hinter seiner Maske. „Du bist nicht sicher?
Du
warst es doch, die darauf bestanden hat, dass ich wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehme und mir eine Frau suche, die mich begleitet. Du dachtest doch, es wäre einfach alles perfekt, als Miss Montgomery in unser Leben trat.“
„Ja, aber …“
„Aber?“
„Das Mädchen ist jedenfalls seltsam. Und ich meine, wirklich seltsam“, erklärte Evelyn.
„Was willst du damit sagen?“
„Sie war nicht in ihrem Arbeitsraum, als ich ankam. Ich habe an Sir Johns Schreibtisch gewartet. Und dann kam sie zurück mit …“
„Ja?“
„Mit dem Arm von einer Mumie in der Hand!“
„Evelyn, es ist die Abteilung für Ägyptologie.“
„Ja, schon, aber welche junge Frau läuft mit menschlichen Körperteilen in den Händen herum?“
„Sie muss einen Grund dafür gehabt haben.“
„Vielleicht, aber ihr Verhalten war mehr als seltsam. Sie war völlig aufgelöst, mit Staub bedeckt, das Haar zerzaust, aschfahl. Und sie trug diesen vertrockneten Arm.“
„Evelyn, du bist doch selbst dabei gewesen, als große Gräber entdeckt worden sind. Sowohl Einheimische als auch Ausländer haben die
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