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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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hast?«
»Nein, ich hab ihm nie davon erzählt, er weiß nichts.« »Nun ja, wenn du ihn willst...«
»Nein, nein! Auf die Weise will ich ihn nicht!«
»Na, dann: leb wohl, Joyce.«
»Leb wohl, Hank.«
Nicht lange danach bekam ich einen Brief von ihr. Sie
war wieder in Texas. Oma war sehr krank, sie würde nicht
mehr lange leben. Die Leute fragten nach mir. So weiter.
Herzliche Grüße, Joyce.
Ich legte den Brief weg, und ich konnte mir den Zwerg
gut vorstellen, wie er sich wunderte, welchen Fehler ich
wohl gemacht haben könnte. Das kleine Kerlchen hatte mich
für einen so klugen Gauner gehalten. Es tat weh, ihn so zu
enttäuschen.
    3
    Dann wurde ich ins Personalbüro im alten Gebäude der Bundesvertretung bestellt. Sie ließen mich die üblichen 45 Minuten oder eineinhalb Stunden warten.
    Dann. »Mr. Chinaski?« sagte diese Stimme.
»Ja«, sagte ich.
»Kommen Sie rein.«
Der Mann ging mit mir zu einem Schreibtisch. Da saß
    eine Frau. Sie sah ein wenig sexy aus, ging wohl auf 38 oder 39 zu, doch sie sah aus, als sei ihr sexueller Ehrgeiz durch andere Dinge verdrängt oder ganz ignoriert worden.
    »Nehmen Sie Platz, Mr. Chinaski.«
Ich nahm Platz.
Baby, dachte ich, dich könnte ich wirklich vernaschen. »Mr. Chinaski«, sagte sie, »wir haben uns Gedanken ge- macht, ob Sie das Bewerbungsformular wahrheitsgemäß ausgefüllt haben.«
    »Wie?«
»Es dreht sich um Ihr Strafregister.«
Sie gab mir die Liste. In ihren Augen war nicht die Spur
    von Sex.
    Ich hatte acht oder zehn Fälle aufgeführt, wo ich zur Aus- nüchterung eingesperrt worden war. Es war nur eine Schät- zung. Ich hatte keine Ahnung, wann das im einzelnen ge- wesen war.
    »Nun, haben Sie hier alles aufgeschrieben?« fragte sie mich.
»Hmmm, hmmm, lassen Sie mich mal nachdenken...«
Ich wußte, was sie wollte. Sie wollte, daß ich »ja« sagte, und dann hatte sie mich.
»Warten Sie mal... Hmmm. Hmmm.«
»Ja?« sagte sie.
»Aha! Ach du lieber Gott!«
»Was denn?«
»Es war entweder Trunkenheit im Auto oder Trunken- heit am Steuer. Etwa vor vier Jahren oder so. Genau weiß ich das nicht mehr.«
»Und das war Ihnen einfach entfallen?«
»Ja, genau, ich wollte es natürlich aufschreiben.«
»Na gut. Schreiben Sie's auf.«
Ich schrieb es auf die Liste.
»Mr. Chinaski. Das ist eine schreckliche Liste. Ich möchte, daß Sie mir die einzelnen Punkte erklären und für Ihre derzeitige Beschäftigung bei uns eine Rechtfertigung vor- bringen.«
»In Ordnung.«
»Sie haben dazu zehn Tage Zeit.«
So viel lag mir an dem Job nun auch wieder nicht. Doch sie irritierte mich.
Ich rief an dem Abend an und meldete mich krank, nach- dem ich eine Portion liniertes, durchnumeriertes Papier gekauft hatte. Ich besorgte außerdem eine Flasche Whisky und einen blauen sehr amtlich aussehenden Aktendeckel und eine Sechserpackung Bier und setzte mich dann an die Schreibmaschine und fing an zu tippen. Ich hatte das Wör- terbuch griffbereit. Von Zeit zu Zeit blätterte ich darin, fand ein langes unverständliches Wort und baute darauf einen Satz oder einen ganzen Abschnitt auf. Es wurden 42 Seiten. Zum Schluß schrieb ich: »Abschriften dieser Erklärung für Presse, Fernsehen und andere Massenmedien wer- den zurückbehalten.«
Ich hatte einen ausgewachsenen Furz im Hirn.
Sie stand von ihrem Schreibtisch auf und nahm es persön- lich in Empfang. »Mr. Chinaski?«
»Ja?«
Es war neun Uhr vormittags. Einen Tag nach ihrer Auf- forderung, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
»Einen Augenblick, bitte.«
Sie nahm die 42 Seiten zurück zu ihrem Schreibtisch. Sie las und las und las. Ein anderer Typ stand hinter ihr und schaute ihr über die Schulter. Dann waren es zwei, drei, vier, fünf. Alle lasen. Sechs, sieben, acht, neun. Alle lasen.
Was zum Teufel, dachte ich.
Dann hörte ich eine Stimme aus der Menge: »Nun ja, alle Genies sind Säufer!« Als ob damit alles erklärt sei. Wieder einmal zu viele Filme.
Sie stand auf, die 42 Seiten in der Hand.
»Mr. Chinaski?«
»Ja?«
»Wir werden uns mit Ihrem Fall noch befassen. Sie wer- den dann von uns hören.«
»Und bis dahin zurück an die Arbeit?«
»Bis dahin zurück an die Arbeit.«
»Guten Morgen«, sagte ich.
    4
    Eines Abends wurde mir der Hocker neben Butchner zu- gewiesen. Er verteilte keine Post. Er saß einfach da. Und redete.
    Ein junges Mädchen kam herein und setzte sich auf einen Hocker am Ende des Ganges. Ich hörte Butchner. »Blöde Votze! Du willst doch bloß meinen Schwanz in deiner Möse, stimmt's? Das willst du doch, du

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