Der Mann mit der Ledertasche.
starrte dabei die Wände an. Mit der letzten Dose schlief ich dann ein. Und wenn ich aufwachte, blieb mir gerade noch Zeit, aufs Klo zu gehen, zu baden, zu essen und zur Arbeit zu fahren.
Und eine Anpassung war nicht möglich, man wurde ein- fach immer müder. Ich kaufte mir die Sechserpackung immer schon auf dem Weg zur Arbeit, und eines Morgens war ich wirklich restlos erledigt. Ich stieg die Treppen hoch (einen Aufzug gab's nicht) und steckte den Schlüssel ins Schloß. Die Tür ging auf. Irgend jemand hatte alle Möbel umge- stellt, einen neuen Teppich gelegt. Nein, auch die Möbel waren neu.
Auf der Couch war eine Frau. Sie sah nicht schlecht aus. Jung. Gute Beine. Eine Blondine.
»Tag«, sagte ich, »wie war's mit einem Bier?«
»Hallo!« sagte sie. »Ist gut, ich trink eins.«
»Die Wohnung sieht entschieden besser aus so«, sagte ich ihr.
»Ich hab alles selber gemacht.«
»Aber wieso?«
»Ich hatte gerade Lust dazu«, sagte sie.
Wir nahmen beide einen Schluck aus unserem Bier.
»Sie sind in Ordnung«, sagte ich. Ich stellte meine Bier- dose hin und gab ihr einen Kuß. Ich legte ihr eine Hand aufs Knie. Es war ein hübsches Knie.
Dann nahm ich wieder einen Schluck aus meinem Bier.
»Jawohl«, sagte ich, »die Wohnung sieht so entschieden besser aus. Das macht mich direkt wieder munter.«
»Das ist aber schön. Meinem Mann gefällt sie auch.«
»Warum sollte denn Ihr Mann... Was? Ihr Mann? Moment mal, welche Nummer hat diese Wohnung?«
»309.«
»309? Du großer Gott! Ich bin auf dem falschen Stock! Ich wohne in 409. Mein Schlüssel hat in Ihr Schloß gepaßt.«
»Setz dich doch, Süßer«, sagte sie.
»Nein, nein...«
Ich hob die restlichen vier Bierdosen auf.
»Warum willst du denn gleich wieder davonlaufen?« fragte sie.
»Manche Ehemänner sind verrückt«, sagte ich und ging auf die Tür zu.
»Inwiefern denn?«
»Nun ja, manche Ehemänner lieben ihre Frauen.«
Sie lachte. »Vergiß meine Wohnungsnummer nicht.«
Ich machte hinter mir die Tür zu und ging noch eine Treppe höher. Dann schloß ich meine Tür auf. Es war nie- mand in der Wohnung. Die Möbel waren alt und herunter- gekommen, der Teppich hatte fast keine Farbe mehr. Leere Bierdosen auf dem Fußboden. Ich war in der richtigen Wohnung.
Ich zog mich aus, stieg ins Bett, allein, und machte das nächste Bier auf.
7
Während ich auf dem Dorsey-Postamt arbeitete, hörte ich, wie einige der Veteranen Big Daddy Graystone damit aufzogen, daß er sich erst ein Tonbandgerät kaufen mußte, bevor er seine Tabellen lernen konnte. Big Daddy hatte die Nummern der Zustellbezirke auf Band gesprochen und das dann immer wieder abgehört. Big Daddy wurde aus ganz bestimmtem Grund Big Daddy genannt. Er hatte mit seinem Ding drei Frauen ins Krankenhaus gebracht. Und jetzt hatte er einen Jungen gefunden, einen Schwulen namens Carter. Und dem war es genauso ergangen. Carter war jetzt in einer Klinik in Boston. Der Witz kursierte, Carter habe nach Boston gehen müssen, weil es an der Westküste nicht genug Faden gab, um ihn nach seinem Erlebnis mit Big Daddy wieder zusammenzuflicken. So oder so, ich entschloß mich, es mit dem Tonband zu versuchen. Meine Sorgen waren vorbei. Ich konnte das Tonband lau- fenlassen, während ich schlief. Ich hatte irgendwo gelesen, daß man im Schlaf mit dem Unterbewußtsein lernen konnte. Das schien der bequemste Weg. Ich kaufte Tonbandgerät und Tonband.
Ich las die Tabelle auf Band, stieg mit meinem Bier ins Bett und hörte zu:
»ALSO DANN, HIGGINS GLIEDERT SICH IN 42 HUNTER, 67 MARKLEY, 71 HUDSON, 84 EVERGLADES! HÖR GUT ZU, CHINASKI, PITTSFIELD GLIEDERT SICH IN 21 ASHGROVE, 33 SIMMONS, 46 NEEDLES! HÖR GUT ZU, CHINASKI, WESTHAVEN GLIEDERT SICH IN 11 EVERGREEN, 24 MARKHAM, 55 WOODTREE! CHI- NASKI, ACHTUNG, CHINASKI, PARCHBLEAK GLIE- DERT SICH...«
Es funktionierte nicht. Meine Stimme schläferte mich ein.
Ich kam nicht über das dritte Bier hinaus.
Nach einiger Zeit gab ich den Versuch mit dem Tonband auf und lernte die Tabelle überhaupt nicht mehr.
Ich trank nur noch meine sechs großen Dosen Bier und schlief ein. Ich verstand es einfach nicht. Ich dachte sogar daran, zu einem Psychiater zu gehen. Ich stellte mir den Dialog im Geiste vor.
»Nun, mein Junge?«
»Na ja, die Sache ist die.«
»Reden Sie weiter. Brauchen Sie die Couch?«
»Nein, danke. Sonst schlafe ich ein.«
»Reden Sie bitte weiter.«
»Na ja, ich brauche meinen Job.«
»Das ist vernünftig.«
»Aber ich muß noch drei Tabellen lernen und jedesmal die Prüfung
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