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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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gleiche wie immer. Sie kannte mich.
»Was fehlt Ihnen denn diesmal?« fragte sie.
Ich blies ihr eine Wolke Rauch entgegen.
»Magenverstimmung.«
»Sind Sie sicher?«
»Es ist mein Magen.«
»Würden Sie bitte dieses Formular unterschreiben, auf
dem steht, daß ich hier gewesen bin und daß Sie zu Hause waren?«
»Sicher.«
Die Krankenschwester schob den Zettel durch den Tür- spalt. Ich unterschrieb. Schob ihn zurück.
»Werden Sie morgen wieder arbeiten?«
»Das kann ich jetzt beim besten Willen noch nicht sagen. Wenn ich mich wohl fühle, komm ich. Wenn nicht, bleib ich hier.«
Sie blickte mich mißbilligend an und ging. Ich wußte, daß sie meine Whiskyfahne gerochen hatte. Beweis genug? Wahrscheinlich nicht, zuviel Papierkrieg, oder vielleicht lachte sie sich ins Fäustchen, während sie mit ihrer kleinen schwarzen Tasche in ihr Auto stieg.
»Alles klar«, sagte ich, »zieh deine Schuhe wieder an und komm heraus.«
»Wer war es denn?«
»Eine Krankenschwester von der Post.«
»Ist sie weg?«
»Mhmm.«
»Machen die das immer?«
»Mich haben sie jedenfalls noch nie vergessen. Und jetzt wollen wir das mit einem kräftigen Schluck feiern!«
Ich ging in die Küche und füllte zwei große Gläser. Ich kam heraus und gab Betty ihren Drink.
»Salud!« sagte ich.
Wir hoben unsere Gläser und stießen an.
Und da ging der Wecker los, und es war ein lauter Wecker.
Ich fuhr zusammen, als sei ich in den Rücken geschossen worden. Betty ging senkrecht in die Luft, einen halben Meter. Ich lief zum Wecker hinüber und stellte ihn ab.
»Herr Gott«, sagte sie, »ich hätt fast in die Hosen ge- schissen!«
Wir fingen beide an zu lachen. Dann nahmen wir wieder Platz. Widmeten uns dem guten Drink.
»Ich hatte einen Freund, der für die Bezirksverwaltung arbeitete«, sagte sie. »Die schickten immer einen Inspektor los, aber nicht jedesmal, vielleicht jedes fünfte Mal. An einem Abend sitze ich also bei Harry und trinke, und da klopft es. Harry sitzt auf der Couch, voll angezogen. >0h Gott!< sagt er und springt mitsamt seinen Kleidern ins Bett und zieht die Decke hoch. Ich stell die Flaschen und Gläser unters Bett und mach die Tür auf. Dieser Typ kommt rein und setzt sich auf die Couch. Harry hat sogar Schuhe und Strümpfe an, aber er ist vollkommen zugedeckt. Der Typ sagt: >Wie fühlen Sie sich denn, Harry?< Und Harry sagt: >Nicht besonders gut. Sie ist hier, um mich zu pflegen.< Er zeigt dabei auf mich. Ich sitz da, besoffen. >Nun, ich hoffe, Sie werden bald wieder gesund, Harry<, sagt der Typ, und dann geht er. Ich bin sicher, er hat die Flaschen und Gläser unterm Bett gesehen, und ich bin sicher, er hat gewußt, daß Harrys Füße nicht so groß waren. Ich saß wirklich auf Kohlen.«
»Scheißspiel, die können einen nicht in Ruhe lassen, was? Dauernd soll man schuften.«
»Stimmt.«
Wir tranken noch eine Weile weiter, und dann gingen wir ins Bett, aber es war nicht mehr so wie früher, es ist nie so wie früher — etwas stand zwischen uns, allerhand war geschehen. Ich sah ihr nach, als sie ins Bad ging, sah die Runzeln und Falten unter ihren Arschbacken. Armes Ding. Armes, armes Ding. Joyce war fest und hart gewesen - man griff sich eine Handvoll, und es fühlte sich gut an. Betty fühlte sich nicht so gut an. Es war traurig, es war traurig, es war traurig. Als Betty zurückkam, sangen wir nicht, wir lachten auch nicht, wir stritten uns nicht mal. Wir saßen im Dunkeln und tranken und rauchten Zigaretten, und als wir schlafen gingen, legte ich ihr nicht meine Füße an den Körper, und sie die ihren nicht an meinen Körper, wie wir dag früher immer getan hatten. Wir schliefen, ohne uns zu berühren.
Wir waren beide beraubt worden.
    2
    Ich rief Joyce an.
»Wie läuft die Sache mit der Roten Krawattennadel?« »Ich versteh es einfach nicht«, sagte sie.
»Was hat er gemacht, als du ihm erzählt hast, daß du dich
    hast scheiden lassen?«
»Wir saßen einander in der Kantine gegenüber, als ich es
ihm erzählte.«
»Und was war?«
»Er ließ seine Gabel fallen. Er brachte den Mund nicht
mehr zu. Er sagte: >Was?<«
»Dann wußte er ja, daß es dir ernst war.«
»Ich versteh es einfach nicht. Er geht mir seither aus dem
Weg. Wenn ich ihn auf dem Flur sehe, rennt er davon. Er
sitzt mir beim Essen nicht mehr gegenüber. Er scheint...
na ja, fast... kalt.«
»Baby, es gibt andere Männer. Vergiß diesen Kerl. Nimm
Kurs auf einen neuen.«
»Es ist nicht leicht, ihn zu vergessen. So wie er war.« »Weiß er, daß du Geld

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