Der Mann mit der Ledertasche.
gewußt. Und wenn ich hundert Jahre alt werde, versteh ich die Weiber nicht.«
»Weißt du, ich hab den Antrag gestellt, nachdem wir uns neulich gestritten hatten. Ich dachte mir, wenn ich warte, bis wir uns wieder vertragen, tu ich's nie.«
»Okay, Kleines. Ich bewundere eine ehrliche Frau. Ist es die Rote Krawattennadel?«
»Es ist die Rote Krawattennadel«, sagte sie.
Ich lachte. Es war ein ziemlich trauriges Lachen, das geh ich zu. Aber ich brachte es heraus.
»Ich weiß, es ist leicht, zu kritisieren, aber du wirst mit ihm Ärger bekommen. Ich wünsch dir Glück, Kleines. Du weißt, du hast eine Menge, das ich geliebt habe, und das war nicht ausschließlich dein Geld.«
Sie fing an, ins Kopfkissen zu heulen, sie lag auf dem Bauch und bebte am ganzen Leib. Sie war nichts weiter als ein Kleinstadtmädchen, verwöhnt und durcheinander. Da lag sie und hatte Weinkrämpfe, und das war kein Theater. Es war furchtbar.
Die Decke war weggerutscht, und ich starrte auf ihren weißen Rücken, die Schulterblätter standen vor, als woll- ten sie zu Flügeln auswachsen, als wollten sie die Haut durchbohren. Kleine Schulterblätter. Sie war hilflos.
Ich stieg ins Bett, streichelte ihr den Rücken, streichelte sie, beruhigte sie - und dann brach sie wieder zusammen:
»0 Hank, ich liebe dich, ich liebe dich, es tut mir so leid, es tut mir so leid leid so leid!«
Sie litt wirklich Folterqualen.
Nach einer Weile kam es mir so vor, als sei ich es, der sich von ihr scheiden ließ.
Dann vögelten wir noch einmal wie in alten Zeiten.
Sie bekam die Wohnung, den Hund, die Fliegen, die Ge- ranien.
Sie half mir sogar beim Packen. Legte meine Hosen sauber zusammengefaltet in den Koffer. Packte die Unter- hosen und den Rasierapparat. Als ich zum Weggehen bereit war, fing sie wieder an zu weinen. Ich biß sie ins Ohr, ins rechte, und ging dann mit meinem Zeug die Treppen hin- unter. Ich stieg ins Auto und begann langsam die Straßen auf- und abzufahren und hielt nach einem Schild Ausschau mit der Aufschrift »Zimmer frei«.
Es schien mir keineswegs eine ungewöhnliche Tätigkeit.
DREI
Ich wehrte mich nicht gegen die Scheidung, ging nicht vor Gericht. Joyce gab mir das alte Auto. Sie hatte keinen Führerschein. Ich hatte nur drei oder vier Millionen ver- loren. Aber ich hatte ja immer noch das Postamt.
Auf der Straße traf ich Betty.
»Ich hab dich neulich mal mit diesem Weibstück gesehen.
Das ist nicht deine Sorte Frau.«
»Das sind sie alle nicht.«
Ich erzählte ihr, daß wir uns getrennt hatten. Wir tranken
zusammen ein Bier. Betty war alt geworden, und zwar schnell. Sie war schwerer. Falten zeigten sich überall. Das Fleisch hing lose an ihrem Hals. Es war traurig. Aber ich war auch alt geworden.
Betty hatte ihren Job verloren. Der Hund war unter ein Auto gekommen und gestorben. Sie bekam eine Stelle als Kellnerin und verlor sie wieder, als sie die Kneipe ab- brachen, um ein Bürogebäude zu errichten. Jetzt wohnte sie in einem kleinen Zimmer in einem trostlosen Hotel. Sie überzog die Betten und putzte die Toiletten. Sie trank Wein in großen Mengen. Sie meinte, wir könnten doch wieder zusammenleben. Ich meinte, wir könnten damit noch ein bißchen warten. Ich erholte mich eben erst von dem letzten Reinfall.
Sie ging zu ihrem Zimmer zurück und zog ihr bestes Kleid an, hohe Absätze, versuchte sich herauszuputzen. Aber es hatte alles etwas furchtbar Trauriges an sich.
Wir besorgten eine Flasche Whisky und etwas Bier, gin- gen in meine Wohnung im vierten Stock eines alten Miets- hauses. Ich ging zum Telefon und meldete mich krank. Ich setzte mich Betty gegenüber. Sie schlug die Beine überein- ander, schien verlegen und lachte ein bißchen. Es war wie in alten Zeiten. Beinahe. Irgendwas fehlte.
Damals schickte das Postamt, wenn man sich krank meldete, eine Krankenschwester los, die Stichproben machen sollte, um sich zu vergewissern, daß man sich nicht in Nacht- klubs herumtrieb oder beim Poker saß. Meine Wohnung lag in der Nähe des Hauptpostamtes, so daß sie mich be- quem überprüfen konnten. Betty und ich waren vielleicht zwei Stunden beisammen, als es an die Tür klopfte. »Was ist das?«
»Ganz ruhig«, flüsterte ich, »kein Wort! Zieh diese Schuhe aus, geh in die Küche und mach keinen Muckser.«
»AUGENBLICK BITTE!« antwortete ich der Person an der Tür.
Ich zündete mir eine Zigarette an, um die Alkoholfahne zu vertuschen, ging dann zur Tür und öffnete sie einen Spalt weit. Es war die Krankenschwester. Die
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