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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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eben deshalb wandten sie auch nichts dagegen ein. Und daß die Sitzung mit einer Resolution schloß, war in Ordnung. Denn ob man bei einer Rauferei mit dem Messer den Schlußpunkt setzt oder am Ende eines Musikstücks alle zehn Finger ein paarmal gleichzeitig in die Tasten schlägt, oder ob der Tänzer sich vor seiner Dame verbeugt, oder ob man eine Resolution beschließt: es wäre eine unheimliche Welt, wenn die Geschehnisse sich einfach davonschlichen und nicht am Ende noch einmal gehörig versichern würden, daß sie geschehen seien; und darum tut man es.

45

Schweigende Begegnung zweier Berggipfel
    ALS DIE SITZUNG zu Ende war, hatte Dr. Arnheim unauffällig so manövriert, daß er als letzter zurückblieb, die Anregung dazu war von Diotima ausgegangen; Sektionschef Tuzzi hielt eine Respektsfrist ein, um sicher nicht vor dem Ende der Sitzung in sein Haus zurückzukehren.
    In diesen Minuten zwischen dem Weggang der Gäste und der Festigung der zurückbleibenden Lage, während des Wegs von einem Zimmer ins andre, der von kleinen, in die Quere laufenden Anordnungen, Überlegungen und der Unruhe unterbrochen wurde, die ein davonziehendes großes Ereignis hinter sich läßt, war Arnheim lächelnd Diotima mit den Blicken gefolgt. Diotima fühlte, daß ihre Wohnung sich in zitternder Bewegung befand; alle Dinge, die wegen des Ereignisses ihren Platz hatten verlassen müssen, kehrten nun nacheinander zurück, es war, wie wenn eine große Welle aus unzähligen kleinen Grübchen und Gräben wieder über den Sand abrinnt. Und während Arnheim in vornehmem Schweigen wartete, bis sie und diese Bewegung um sie wieder zur Ruhe gekommen seien, erinnerte sich Diotima, daß, so viel Menschen auch schon bei ihr verkehrt hatten, noch nie ein Mann mit ihr so häuslich allein gewesen war, daß man das stumme Leben der leeren Wohnung spürte, außer Sektionschef Tuzzi. Und plötzlich wurde ihre Keuschheit durch eine ganz ungewohnte Vorstellung verwirrt; ihre leer gewordene Wohnung, in der auch ihr Mann fehlte, kam ihr wie eine Hose vor, in die Arnheim hineingefahren war. Es gibt solche Augenblicke, sie können wie Ausgeburten der Nacht dem keuschesten Menschen widerfahren, und der wunderbare Traum einer Liebe, wo Seele und Leib ganz eins sind, erstrahlte in Diotima.
    Arnheim ahnte nichts davon. Seine Hose stellte eine einwandfreie senkrechte Linie auf das spiegelnde Parkett, sein Cut, seine Binde, sein ruhig lächelnder vornehmer Kopf redeten nicht, so vollkommen waren sie. Er hatte eigentlich den Plan gehabt, Diotima Vorwürfe wegen des Zwischenfalls bei seinem Kommen zu machen und Vorsorge für die Zukunft zu treffen; aber es gab in diesem Augenblick etwas, das diesen Mann, der mit amerikanischen Geldmagnaten als seinesgleichen verkehrte und von Kaisern und Königen empfangen worden war, diesen Nabob, der jede Frau mit Platin aufwiegen konnte, statt dessen gebannt auf Diotima starren ließ, die in Wahrheit Ermelinda oder gar nur Hermine Tuzzi hieß und bloß die Frau eines hohen Beamten war. Für dieses Etwas muß hier wieder einmal das Wort Seele gebraucht werden.
    Es ist das ein Wort, das schon des öftern, aber nicht gerade in den klarsten Beziehungen aufgetreten ist. Zum Beispiel als das, was der heutigen Zeit verlorengegangen ist oder sich nicht mit der Zivilisation vereinen läßt; als das, was in Widerstreit mit körperlichen Trieben und ehelichen Gewohnheiten steht; als das, was von einem Mörder nicht nur unwillig erregt wurde; als das, was durch die Parallelaktion befreit werden sollte; als religiöse Betrachtung und contemplatio in caligine divina beim Grafen Leinsdorf; als Liebe zu Gleichnissen bei vielen Menschen, und so fort. Von allen Eigentümlichkeiten dieses Wortes Seele ist aber die merkwürdigste, daß junge Menschen es nicht aussprechen können, ohne zu lachen. Selbst Diotima und Arnheim scheuten sich, es ohne Verbindung zu gebrauchen; denn eine große, edle, feige, kühne, niedrige Seele zu haben, das läßt sich noch behaupten, aber schlechtweg zu sagen, meine Seele, das bringt man nicht über sich. Es ist ein ausgeprägtes Wort für ältere Leute, und das ist nur so zu verstehn, daß man annimmt, es müsse sich im Lauf des Lebens irgend etwas immer fühlbarer machen, für das man dringend einen Namen braucht, ohne ihn zu finden, bis man schließlich den ursprünglich verschmähten dafür widerstrebend in Gebrauch nimmt.
    Wie soll man es also beschreiben? Man kann stehn oder gehn, wie man will, das Wesentliche

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