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Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Boyle
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Stunde Töpfe und Pfannen mit verschiedenen Kreationen auf dem Herd, darunter Fergus’ tollen Lilastieligen Rötelritterling und eine Wildknoblauchsuppe. Ich musste mich ermahnen, mich nicht zu sehr zu freuen. Mein Essen während der kommenden zwölf Monate würde nicht jeden Tag diesen Standard haben.
    Der Tag verlief unglaublich gut. Begeisterte Menschen meldeten sich unverhofft als Freiwillige. Einige der besten Akustikmusiker aus Bristol trugen ihren Teil zur Stimmung bei, und das Essen war »zum Sterben« gut. Die Gäste mussten auch für ihre Getränke und den Service nichts zahlen. Sie konnten ihrem Gaumen kaum glauben und sagten uns das netterweise auch. Andy Hamilton, mein Selbstversorger-Freund und begeisterter Heimbrauer, kam mit 120 Pints (ca. 68 Liter) seines besten Biers, hergestellt aus selbstgesammelter Schafgarbe und im Schrebergarten angebautem Hopfen, als Belohnung für die Freiwilligen. Ich beendete das letzte Interview des Tages, ausgerechnet für das Wall Street Journal , ein klares Zeichen, dass die Freeconomy-Bewegung an Popularität zunahm. Erschöpft und in Hochstimmung griff ich mir eines von Andys Bieren.
    Dass die Freeconomy in der Praxis so gut funktionierte, gab mir so viel Zuversicht und Befriedigung. Ich beschloss, dass ich das Jahr – falls ich es überstehen würde – mit einem noch größeren Event beenden würde.

6 Alltag ohne Geld
    Meine erste Woche in offizieller Armut
    Selbst gewöhnliche Veränderungen können einen aus dem Gleichgewicht bringen. Denken Sie daran, wie Sie sich gefühlt haben, als Sie in eine neue Stadt zogen, eine neue Arbeitsstelle antraten oder sonstige Veränderungen an Ihrem üblichen Lebensstil vornahmen. Können Sie sich vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn Sie eines Morgens aufwachen und Ihnen klar wird, dass Sie in den nächsten 364 Tagen nicht einen einzigen Penny annehmen oder ausgeben dürfen? Als ich jünger war, fand ich es wirklich schwierig, während der Fastenzeit 30 Tage lang auf Schokolade oder das Fluchen verzichten zu müssen. Glücklicherweise kostete das Fluchen nichts, also konnte ich das weiterhin so oft tun, wie ich wollte. Aufgrund meiner irischen Erziehung spielte das eine wichtige Rolle, um Gefühlen des Glücks und der Verzweiflung gleichermaßen Ausdruck geben zu können. Ich hatte so eine Ahnung, dass es beide Gefühle im kommenden Jahr zur Genüge geben würde.
    Am Morgen nach dem kostenlosen Fest wachte ich um neun Uhr auf, das war für meine Verhältnisse ziemlich spät. Das Adrenalin der letzten Tage hatte seine Spuren hinterlassen. Ich fühlte mich ein wenig schwach und leer. Ich aß etwas Obst und Brot vom Vortag und machte mich auf zur Permakultur-Veranstaltung, bei der ich einen Vortrag halten sollte. Die letzten beiden Tage waren reiner Zirkus gewesen. Das echte Jahr begann jetzt. Anstatt in der Zeitung zu stehen, würde ich mir jetzt mit Zeitungen den Po abwischen.
    Mein Leben ohne Geld begann reibungslos, in den ersten Tagen gab es keine größeren Katastrophen. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Dinge mit jedem Tag zunehmend schwerer werden würden. Es würden Sachen kaputtgehen, mir würden die Vorräte ausgehen, und es würden Unfälle passieren. Am Anfang hatte ich aber von allem noch ein bisschen. Das war gut so. Bereits nach einigen Tagen wurde mir bewusst, dass die Zeit mein wertvollstes Gut war. Zunächst mal war ein Leben ohne Netzanbindung sehr zeitaufwendig. Keine Schalter, um den Strom einzuschalten; selbst das Laden meines Laptop-Akkus war eine Herausforderung. Im Dunkeln musste ich die Kurbeltaschenlampe mit dem Mund halten, während ich das Autoladekabel meines Laptops an den Laderegler des Solarmoduls anschloss. Da war so wenig Platz, dass ich fürs Feststecken oft fünf Minuten brauchte.
    Was meinen Zeitmangel noch verschlimmerte: Ich verbrachte in der entscheidenden ersten Woche viel zu viel Zeit mit Gesprächen mit Journalisten, kleinen Filmaufnahmen und dem Schreiben von E-Mails an Leute, die Nachrichten geschickt hatten, in denen sie Fragen stellten, ihre Meinung äußerten oder Unterstützung anboten. Das war weder das langsame Leben eines Selbstversorgers noch das schnelle Stadtleben: Es war beides. Gerade als die Flut abebbte, schickte der Daily Mirror für einen Tag einen Reporter, der sich ansehen sollte, wie ich lebte. Das war eine sehr gute Sache. Zehn Jahre zuvor hätte diese Zeitung an jemandem, der ohne Geld lebt, überhaupt kein Interesse gehabt. In mancher Hinsicht war dies ein

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