Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung
erhalten hatte. Sie wollten, dass ich ins Studio kam und in einer Lifestylesendung, die im Tagesprogramm ausgestrahlt wurde, ein Interview gab. Die Sendung hieß Seoige und wurde von Gráinne Seoige moderiert, die man zur erotisch attraktivsten Frau Irlands gewählt hatte. Das war ein Tauschhandel der gehobenen Klasse. Die Gäste wurden für ihre zehn Minuten Arbeit meist gut bezahlt, aber das kam für mich nicht in Frage, also lehnte ich höflich ab. Außerdem wollten sie mir Hin- und Rückflug, die Bahnfahrten und die Busverbindungen sponsern. 2006 hatte ich geschworen, dass ich niemals wieder in ein Flugzeug steigen würde, daher teilte ich ihnen mit, dass ich, sollte das Treffen zustande kommen, mit der Fähre anreisen würde. Und da eines meiner Prinzipien lautete, nur so viel anzunehmen, wie ich zum Leben brauchte, aber nicht mehr, war ich der Meinung, dass selbst eine Bahn- oder Busfahrkarte zu viel gewesen wäre.
Den Dezember über war Seoige nicht mehr als eine Möglichkeit. Meine andere Idee war, mit dem Fahrrad nach Fishguard zu fahren (mein nächster Fährhafen Richtung Irland), in einem LKW per Anhalter mitzufahren und den ganzen Weg in den Nordwesten zu radeln. Aber heutzutage nehmen nur noch wenige LKW -Fahrer Anhalter mit, weil das versicherungstechnisch schwierig ist. Je mehr ich über diese Möglichkeit nachdachte, desto schwerer umsetzbar schien sie. Dies mit Geld zu schaffen, wäre kompliziert genug, aber ohne Geld zu dieser Jahreszeit gefährlich.
Weihnachten rückte näher, und ich hatte keine konkrete Lösung, wie ich zu meiner Familie nach Hause kommen sollte. Die Einschränkungen, die mir diese Art zu leben auferlegte, frustrierten mich immer mehr. Doch gerade als ich dachte, ich würde nicht wegkommen, erhielt ich einen Anruf von RTE, sie hätten mich gern in ihrer Sendung und würden mir per E-Mail Tickets für die Hin- und Rückfahrt senden. Das war die Lösung für mein einziges wirkliches Hindernis – die Irische See zu überqueren. Ich war recht zuversichtlich, dass ich alles andere ohne Geld schaffen würde, aber man braucht lange, um die Irische See zu durchschwimmen. Ich beschloss, den ganzen übrigen Weg von Bristol bis in den Nordwesten Irlands zu trampen. Wenn ich Glück hatte, würde ich dafür zwei Tage brauchen. Wenn ich Pech hatte, würde ich Weihnachten wahrscheinlich eine verlassene Hauptstraße entlanglaufen, ohne Essen oder ein Dach über dem Kopf. Ich hätte nicht einmal ein funktionierendes Telefon zur Verfügung. Ohne ein Guthaben konnte ich außerhalb des Vereinigten Königreichs keine Anrufe empfangen.
Viel Zeit für die Vorbereitung blieb mir nicht. Das Hauptthema war das Essen. Ich beschloss, lieber so viel zu sammeln, dass es für drei Tage reichte. Man weiß nie, wie lange Trampen dauert – manchmal wartet man Stunden (obwohl mir das nie passiert ist). Bis nach Fishguard dauerte die Fahrt nur etwa vier Stunden, aber ich wusste, dass ich vor Sonnenuntergang dort eintreffen musste, das heißt gegen 16:30 Uhr. Im Dunkeln eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen, ist schwierig und manchmal auch etwas gefährlich, je nachdem, an welcher Art von Straße man abgesetzt wird. Hin und wieder kann es passieren, dass man am falschen Ende der Stadt abgesetzt wird.
Das war meine schlimmste Vorstellung. Es hätte bedeutet, dass ich meilenweit hätte laufen müssen, mit einem schweren Rucksack und ohne eine Karte, um zum nächsten Anhalterpunkt zu gelangen.
Ich brach am 23. Dezember früh auf und machte mich um 10:30 Uhr auf den Weg, um die Fähre ab Fishguard zu erreichen, die am folgenden Morgen um zwei Uhr ablegen sollte. Meinen Reisestart auf den Tag vor Heiligabend zu legen, war ein interessantes Experiment. Bevor ich losging, fragte ich mich, ob ich überwiegend weihnachtlich gestimmte Menschen treffen würde. Würde jeder, der mich sah, mir unterwegs helfen wollen, oder wären alle zu gestresst und emsig, um einen Anhalter am Straßenrand auch nur wahrzunehmen?
Meine Trampererfahrung sagt mir, dass man in die richtige Stimmung kommen muss. Wenn die Körpersprache Zuversicht, Offenheit, Optimismus und Fröhlichkeit vermittelt, scheint es ein Kinderspiel zu sein, jemanden zu finden, der einen mitnimmt. Ist man ein bisschen derangiert, scheint sich niemand für einen zu interessieren. Ich war guter Stimmung, setzte ein Lächeln auf und ging raus auf die Straße. Das war nicht schwer, weil ich das Abenteuer des Trampens liebe. Im Bus oder Zug weiß man, dass man in A ein-
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