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Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Boyle
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Ich hatte auf einem Boot gelebt, also hätte ich daran denken sollen. Bereits leicht dehydriert, musste ich ohne Wasser weitertrampen und wusste, dass es wenigstens fünf Stunden dauern konnte, bevor ich eine Stelle fand, wo ich meine Flasche auffüllen konnte.
    Es war Heiligabend, und mir blieben rund zwölf Stunden, um vom südöstlichsten Punkt Irlands bis oben an die Nordwestküste zu gelangen. Das waren rund 500 Kilometer. Auf der Autobahn, die Route, die die meisten Langstreckenfahrer nehmen, dauerte dies normalerweise etwa sechseinhalb Stunden. Das Problem war, dass ich es nicht riskieren konnte, die Route über die Autobahn zu nehmen. Es ist illegal, von der Autobahn aus zu trampen. Man kann dort nicht abgesetzt werden, und am Autobahnzubringer zuzusteigen, war reine Glückssache. Also musste ich kleinere Straßen aufsuchen, was bedeutete, dass ich viele kürzere Strecken trampen musste.
    Ich verließ in Windeseile den Fährhafen, um vor den Autos draußen zu sein, und rannte am Ende mehr als eine Meile, um einen guten Standort zu finden. Rosslare ist eine sehr stille Stadt. Immer wenn die Autos von der Fähre runter- und weggefahren sind, kommt dort nicht mehr viel anderes durch. Meine Fähre war die letzte vor Weihnachten. Wenn ich die von der Fähre herunterfahrenden Autos verpasste, hatte ich ein Problem. Doch ich hatte Glück: Ein LKW -Fahrer nahm mich einige Meilen bis zu einem guten Tramperstandort mit, und weg war ich. Und so viel Glück hatte ich den ganzen Tag über. Ich musste jeweils höchstens zehn Minuten warten, bis mich jemand mitnahm.
    Gegen 15:30 Uhr klopfte ich bei meiner Familie an die Tür, zur völligen Überraschung meiner Mutter, die dachte, ich hätte alle Hoffnung begraben, die ganze Strecke bis Weihnachten zu schaffen. Ich hatte nur knapp neun Stunden von Rosslare aus gebraucht, etwa genauso lang, wie wenn ich mit dem eigenen Auto gefahren wäre und einige Pausen eingelegt hätte. Menschlichkeit hat, wie es scheint, eine wirklich positive Seite, von der wir nicht sehr oft hören. Zwischen Bristol und Donegal in Irland nahmen mich insgesamt 15 Autos mit. Im Vergleich mit einem günstigen Flug fielen die Ergebnisse unterschiedlich aus.
Bristol – Donegal (mit Geld)
Bristol – Donegal (ohne Geld)
Zeit
8 Stunden
29 Stunden
Kosten
55 Pfund (Flug)
25 Pfund (Bus)
0 Pfund
Abenteuerfaktor
Niedrig
Hoch
Komfort
Hoch
Niedrig
    Diese Tabelle verrät uns etwas – kann es sein, dass wir Menschen das Abenteuer gegen den Komfort eingetauscht haben?
    Es war wirklich faszinierend zu beobachten, welche Art von Menschen mich per Anhalter mitnahm. Jeder von ihnen hatte einen Mittelklassewagen, was mich auf die Frage brachte, ob man umso weniger gern teilen möchte, je mehr Reichtum man anhäuft. Die meisten, die mich mitnahmen, erzählten, sie seien als jüngere Menschen selbst getrampt, das heißt, sie konnten sich in meine Situation versetzen. Aus ihren Geschichten konnte ich heraushören, dass einige von ihnen sich wünschten, mal wieder auf der Straße zu sein und das abenteuerliche Gefühl beim Trampen noch einmal erleben zu können. Manchmal hatte es fast den Anschein, als habe man sie gezwungen, ein Auto zu besitzen. Obwohl jedes Mal nur eine Person im Fahrzeug saß, waren alle Fahrer sehr verschieden. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung war die Mehrheit von ihnen Frauen (etwa drei von vier Mitfahrmöglichkeiten). Eine von ihnen, die gerade ihre Nachtschicht beendet hatte und der jetzt eine Fahrt von 80 Kilometern bis nach Hause bevorstand, erzählte mir, dass sie immer Tramper mitnahm, wenn sie welche sah, nur um wach zu bleiben. Und in zehn Jahren hatte sie nie Probleme damit gehabt.
    Wirklich aufbauend war einmal, als ich aus einem Auto ausgestiegen war und feststellte, dass ich meine frisch gefüllte Wasserflasche hatte liegen lassen. Das war mein einziges Wassergefäß, und ich hatte seit zwölf Stunden wenig getrunken. Ohne sie hätte ich im Abfalleimer nach einer alten Plastikflasche suchen und sie auf irgendeiner Toilette neu füllen müssen. Eine Stunde und eine Mitnahmemöglichkeit später hielt der Typ, in dessen Auto ich meine Wasserflasche zurückgelassen hatte, neben mir. Er hatte mich 40 Minuten lang gesucht, um sie mir zurückzugeben. Ich hatte ihm erzählt, dass ich ohne Geld lebte, und er dachte sich wohl, dass die Flasche mir wirklich wichtig war. Dieser Typ hatte mir erzählt, dass er gerade wegen einer Schlägerei vor einem Nachtklub zwei Jahre im Gefängnis verbracht

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